Abschlußarbeit zur grundausbildung bzw

Abschlußarbeit zur Grundausbildung bzw. Diplom in existenzanalytisch- logotherapeutischer Beratung und Begleitung Existenzanalytische Lebensbegleitung bei Schizophrenie Existenzanalytische Lebensbegleitung bei Schizophrenie
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der existenzanalytischen Lebensbegleitung bei Schizophrenie. Nach einer allgemeinen Einleitung wird die Sichtweise von V. Frankl zur Schizophrenie dargestellt und anschließend auf die neueren Entwicklungen in der Existenzanalyse, hier speziell auf die Grundmotivationen von A. Längle, in Bezug auf existenzanalytische Aspekte bei der Begleitung von Schizophrenen eingegangen. Abschließend erfolgt die Darstellung einer jahrelangen Begleitung eines Menschen, der an Schizophrenie leidet. Die tiefe Begegnung und die daraus erwachsene Freundschaft mit diesem Menschen war die Motivation zu dieser Arbeit. The work deals of the possibilities Existentialanalysis that accompanies the Following a general introduction, the point of view of V. Frankl cocerning Schizophrenia will presented, followed by the latest developements in the study of Existenzanalysis, paying special attention to the basic motivations concerning the care of a schizophrenic Patient according to A. Längle. In conclusion follows a report of a year- long accompaniment of a man who suffers from Schizophrenia. The encounter and close friendship that developed with this person wasthe motivation for writing this article. Inhaltsverzeichnis
4.1. Schizophrenie aus der Sicht von Frankl Neuere Entwicklungen in der Existenzanalyse am Beispiel der Personalen Grundmotivationen nach Längle 4.3. Existenzanalytische Lebensbegleitung bei Schizophrenie - 4.4. Beschreibung der existenzanalytischen Vorgehensweise 1. VORWORT
Die erste Begegnung mit der Existenzanalyse und Logotherapie hatte ich während meines Studiums der Sozialarbeit, an der Gesamthochschule Essen. Eine Aussage von Viktor Emil Frankl, dass der Mensch zu jeder Zeit die Möglichkeit zur Veränderung hat, hat mich damals tief beeindruckt. Es entsprach meinen eigenen Vorstellungen und traf mich zu einer Zeit, wo mir im Studium oft unterschwellig mitgeteilt wurde, dass der Mensch ein von der Erziehung, seiner Typologie und der Umwelt geprägtes Wesen sei, dessen Leben quasi vorgeprägt ist. Allerdings dauerte es dann doch noch einige Jahre bis mich die Logotherapie wieder Ich arbeitete nach meinem Studium in einem Jugendwohnheim für junge Männer im Alter von 18-27 Jahren. Die Männer, die in dieser Einrichtung wohnten, bzw. zu uns kamen, hatten alle Ihre Geschichte. Es begegneten mir Menschen mit vielerlei sozialen Problemen, mit Persönlichkeitsstörungen, mit „Suchtkarrieren“, mit kriminellem- und hohem Konsumverhalten, Schulden und wenig Hoffnung auf ein eigenständiges, sinnvolles Leben in der Gemeinschaft. Menschen die schon in ihrem kurzen Leben eine Menge an Erniedrigung, Nackenschlägen, nicht erlebter Zuwendung, Liebe und Vertrauen erfahren hatten und dessen Prägung sie, zumindest „ Mann „ hatte stark, cool, abgebrüht und unantastbar zu sein. Mit den Jahren der Betreuung und dem Leben mit diesen Menschen, ist in mir der Wunsch gewachsen, sie mehr zu verstehen , ihre Prägung, Ihre Persönlichkeit zu begreifen um Ihnen besser begegnen zu können. Dabei wurde mir klar das dies ohne eine fundierte Zusatzausbildung sehr schwer sein würde. Darüber hinaus war es mir auch wichtig mein eigenes Verhalten, meine Gefühle besser zu verstehen; der Wunsch nach Selbsterfahrung und Supervision spielte eine große Rolle. Bei der Beschäftigung mit der Vielzahl an Ausbildungsmöglichkeiten fiel mir wieder einmal, wie „zufällig“, ein Angebot zur Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse in die Hände, was mich sehr ansprach. Über ein Einführungsseminar in Hannover, damals noch im Kirchröder Turm, wuchs der Entschluß, diese berufsbegleitende Ausbildung zu machen. Heute sitze ich nun hier und eine lange Zeit der Ausbildung, theoretisch wie praktisch, liegt hinter mir. Eine Zeit die ich nicht missen möchte, eine Zeit des Sich-Selbst-in-Frage-stellen; eine Zeit von Veränderungen, beruflicher wie privater Natur, eine Zeit von praktischem Umsetzens von theoretisch Gelerntem, und eine Zeit von Schmerzen und Tiefe, wie ich sie vorher nicht kannte. Ich habe in den Jahren gemerkt, dass ich „ meine Zeit „ brauche um diese Ausbildung abzuschließen und habe ein eigenes neues Lebenstempo entdeckt, was Die Abschlußarbeit zu dem Thema hat mit der tiefen Begegnung und jahrelangen Begleitung eines Menschen zu tun, der eigentlich nicht mehr Klient, sondern inzwischen vielmehr Freund unserer Familie geworden ist. Eine gewachsene Beziehung ,die ein anderes therapeutisches Vorgehen und Setting beinhaltet. Ich hoffe, dass in der Arbeit ein Stück dieser gewachsenen Beziehung zum Ausdruck 2. Allgemeine Einführung
Verrücktsein, Irrsinn, Wahnsinn, Geisteskrankheit oder Besessenheit sind einige der vielen Bezeichnungen , die heute für den Gesamtbereich der Psychosen, somit auch Der Begriff Schizophrenie (Spaltungsirresein) geht auf BLEULER (1911) zurück der eine Einteilung von Grundsymptomen und akzessorischen Symptome für gegeben „Grundsymptome sind die Störungen des Denkens, der Affektivität und des Antriebes, in erster Linie Zerfahrenheit, Ambivalenz und Autismus. Akzessorische Symptome sind Wahn, Halluzinationen und Katatone Störungen.“ (Tölle, Psychiatrie, Springer Lehrbuch, Berlin, Heidelberg, 1991, S.189) Die Krankheit selber ist aber wesentlich älter als dieser von Bleuler schließlich gewählte Begriff. MOREL sprach bereits 1860 vom „Syndrom eines bösartigen intellektuellen Abbaus“ bei jungen Menschen als Demence precoc, also als vorzeitige Verblödung. Hecker beschrieb 1871 ein ähnliches in der Pubertät auftretendes Krankheitsbild, das er Hebephrenie nannte. Schließlich faßte KRAEPELIN die Symptomgruppe der Demence precoce, der Hebephrenie und der Katatonie zusammen unter dem Ausdruck Dementia praecox (vorzeitige Bei der Schizophrenie handelt es sich um eine Erkrankung der Gesamtpersönlichkeit. Sie ist gekennzeichnet durch den Verlust der Einheitlichkeit des Erlebens und damit der Identität gekennzeichnet. Kern ist also, dass die Einheit des Menschen im Wechselspiel zwischen Seele, Körper und Umwelt auf das schwerste gestört ist. Man kann nicht sagen, dass der betreffende eine Schizophrenie hat, sondern vielmehr das er schizophren ist. Dieses als Desintegration bezeichnete Phänomen stellt laut WYRSCH,1949 einen „Angriff im Mittelpunkt der Person“ dar. Verbunden mit der Desintegration ist der Verlust der Meinhaftigkeit des Erlebens. Dieses für die schizophrene Ich-Störung typische Entfremdungserleben, das man auch als Depersonalisation bezeichnet, äußert sich darin, dass der Klient körperliche Empfindungen und psychische Regungen losgelöst vom eigenen Ich erlebt. Er hat oft das Gefühl, von außen fremdbestimmt zu werden. Er fühlt sich als Werkzeug und Schauplatz fremder Kräfte oder Mächte die ihn von außen fernbeeinflußen. (Hypnose, Strahlen, Gedanken etc.) In diesem Bereich sind die Patienten oft hilflos und fühlen sich den Kräften von außen ausgeliefert, andere Stimmen unterhalten sich über sie, sie haben das Gefühl das ihnen Körperteile weggenommen werden und das diese fremden Kräfte Macht über ihren seelischen Bereich haben. Hier hinein gehören auch die Bereiche der Gedankeneingebung, des Gedankenentzug, der Gedankenausbreitung und im Antriebsbereich die sog. Willensbeeinflußung. (Triebe, Strebungen und Handlungen werden von anderen Im psychischen Bereich drückt sich die Spaltung in allen drei Zentralfunktionen, also im Gefühls-, Bewußtseins- und Antriebssystem aus. „Die Spaltung im Gefühlsbereich äußert sich darin, daß sich widersprechende Gefühle nebeneinander bestehen können, ohne dass der Patient den Widerspruch empfindet oder ihn gar zu beheben versucht.(Ambivalenz). Im Bewußtseinssystem betrifft die Störung vor allem das Denken, das so zerfahren sein kann, dass für Außenstehende nur noch ein Wortsalat erkennbar ist. Im Antriebsbereich zeigt sich die Störung darin, daß die Handlungen nicht in das übrige Erleben integriert sind, sondern es statt dessen zu einer motorischen Sperrung oder zu motorischen Entladungen kommt, die sich darin äußern, dass die Patienten z.B. in Bewegungs- und Sprachlosigkeit verharren oder unruhig hin- und herlaufen und automatenhaft Verhaltensweisen anderer nachahmen.“ (Psychiatrie, Vetter, Fischer Verlag, Stuttgart Eine weitere Spaltung die sich bei schizophrenen Patienten zeigt, betrifft die Beziehung zwischen dem Patienten und seiner Umwelt. Sie führt dazu, dass sich der Patient von den Mitmenschen zurückzieht und sich innerlich, wie äußerlich vollkommen abkapselt und in einen Zustand der Ich-Versunkenheit verfällt, der bis zum Stupur und zum sog. Autismus führen kann. In meinem Berufsleben habe ich dies (Stupur) einmal sehr anschaulich bei einem Klienten erlebt. Nachdem er morgens von seinem Arbeitgeber die Kündigung erhalten hatte, kam er wieder in unsere Einrichtung zurück, konnte über das Erlebte nicht reden und ging noch bekleidet in Arbeitszeug auf die Wohngruppe. Dort begab er sich auf die Toilette um zu urinieren. Ein Mitbewohner der Wohngruppe kam schließlich auf uns zu und berichtete, dass sich Herr T. seit etwa 2 Stunden auf der Toilette aufhalten würde und nicht ansprechbar sei. Bei unserem Nachsehen mußten wir feststellen das Herr T. während des Urinierens in die Psychose gefallen war und ganz steif vor dem Urinal stand und sich nicht mehr bewegen konnte. In dieser Stellung hat er etwa 2 Stunden verbracht, ehe er dann noch weiterhin in diesem Zustand verharrend, durch einen Rettungstransport in die Psychiatrie verbracht Man kann diese Ich-Spaltung/Ich-Defekt als Resultat verstehen, der dazu führt, dass der Patient sich weder gegenüber äußeren Einflüssen, noch gegenüber inneren Triebreizen abgrenzen kann und sich dann durch Rückzug schützen muß. Die Entstehung bzw. Ursache der Schizophrenien ist bis heute nicht bekannt. Man kann beim derzeitigen Stand der Wissenschaft allerdings davon ausgehen, dass meistens nicht eine Ursache zugrunde liegt, sondern das mehrere Faktoren bei der „Zusammenfassung zur Ätiologie und Pathogenese. 1. Es ist nicht eine einzige und ausschließlich wirksame Ursache der Schizophrenie nachgewiesen worden, wohl aber eine Reihe von Einzelfaktoren. 2. Keiner dieser Faktoren kann für sich allein die Entstehung einer Schizophrenie 3. Das Zusammenwirken mehrerer Faktoren ist erkennbar. Hieraus folgt: Es gibt bisher keine vollständige Theorie der Schizophrenieentstehung, wir überschauen nicht die Verursachung insgesamt, aber wir kennen eine Reihe von Entstehungsbedingungen im Sinne von ätiopathogenetischen Teilfaktoren. In diesem Sinne spricht man von multifaktorieller Genese.“ (Tölle, 1991, S.218) Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen und auch bei VETTER (1989) finden sich Faktoren wie: starke familiäre Belastung, belastende Lebenssituationen, Notsituationen, Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen, Verlustsituationen durch Tod, schwere Krankheit, Scheidung etc., körperliche Überforderung, körperlich begründbare Psychosen, psychoreaktive Faktoren, Erbkrankheiten, Folge von Streß, soziale Mißstände, Intoxikationen mit Psychoanaleptika. Sicherlich gibt es darüber hinaus auch noch sozio-kulturelle Aspekte bei der Entstehung auf die ich hier allerdings nicht mehr eingehen möchte. Mein persönlicher Eindruck, mein eigenes Erleben, spiegelt sich in der Theorie wieder und ich empfand es als spannend und erkenntnisvertiefend, dass sich Parallelen zu meiner Wirklichkeit (Begegnung mit schizophrenen Patienten) ziehen lassen. Wichtig ist es aber auch für mich gewesen, diese Menschen nicht auf ihr „Krankheitsbild“ zu reduzieren, sondern ihnen in Ihrer Person zu begegnen, die ja laut Frankl nicht erkranken kann. In der Praxis, in einer stationären sozialtherapeutischen Einrichtung, habe ich gerade den Umgang mit schizophrenen Menschen als schwer, tief , oft auch als vereinnahmend , sehr zeitintensiv und viel Geduld fordernd erlebt. Andererseits ist auch das Erleben dieser Menschen von einer solchen Tiefe und Zerrissenheit die einen wirklich personalen, authentischen Umgang mit ihnen uns immer wieder abverlangt. 3. Klassifikation nach ICD 10 und DSM-4
Im Alter von 14 Jahren hatte ich meine erste Begegnung mit dem für mich damals noch unerklärlichen Bereich, der mich sehr verunsicherte, betroffen machte und in mir den Wunsch weckte mehr zu verstehen, mehr von diesem für mich unerklärlichem Vorgang, aber auch den Wunsch diesen Menschen, die Person, in Es war das erste Erleben eines epileptischen Anfalls. Dieser Anfall fand im Auto statt und kam so unvermittelt wie epileptische Anfälle manchmal kommen. Für mich als Jugendlicher war es allerdings erst einmal mit Angst verbunden. Ich konnte mir diesen Vorfall nicht erklären und war verwirrt. Ähnliche Erlebnisse hatte ich dann in meinem Berufsleben. Bei der Begegnung mit Menschen in Psychiatrien, mit dem Erleben von akuten Psychosen, bei Menschen im Alkohol- oder Drogendelir und war sehr oft verunsichert und in meinen Möglichkeiten zu erkennen und zu handeln eingeschränkt. Durch die Beschäftigung mit den Klassifikationsschlüssseln ist mir einiges deutlich geworden. Darüber hinaus ist es in meiner jetzigen Tätigkeit in einer sozialtherapeutischen Einrichtung wichtig die Termini der Sozialberichte aus anderen Einrichtungen z.B. Entgiftungsstationen/Therapieeinrichtungen zu Die Darstellung bzw. Klassifikation nach dem ICD 10 bzw. DSM 4 ist in vielen Bereichen auch hier in Deutschland für die offizielle Dokumentation bereits verpflichtend vorgeschrieben oder wird sicherlich in den nächsten Jahren verpflichtend eingeführt werden. Bei der Komplexität dieser diagnostischer Manuale ist es für meine Abschlußarbeit nicht möglich, und sicherlich auch nicht nötig, auf alle verschiedenen Formen von Schizophrenie dezidiert einzugehen. Ich möchte nur Diagnostische Kriterien für Schizophrenie sind laut DSM 4: „A. Charakteristische Symptome: mindestens zwei der folgenden, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer Zeitspanne von 1 Monat (oder weniger, falls 3. desorganisierte Sprechweise (z.B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit) 4. grob desorganisiertes oder katatones Verhalten, 5. Negative Symptome, d.h. flacher Affekt, Alogie oder Willensschwäche B. Soziale/berufliche Leistungseinbußen: Für eine bedeutende Zeitspanne seit dem Beginn der Störung sind einer oder mehrere Funktionsbereiche wie Arbeit, zwischenmenschliche Beziehungen oder Selbstfürsorge. C. Dauer: Zeichen des Störungsbildes halten für mindestens 6 Monate an. Diese 6 monatige Periode muß mindestens 1 Monat mit Symptomen umfassen. D. Ausschluß von Schizoaffektiver Störung und Affektiver Störung. E. Ausschluß von Substanzeinfluß/medizinischer Krankheitsfaktor: Das Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z.B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktor zurück.“ (DSM 4, Göttingen, Hogrefe, 1996, S. 340,341) Das ICD-10 hat in seinen allgemeinen Erläuterungen die verschiedenen Symptome in Gruppen unterteilt, die besondere Bedeutung für die Diagnose haben und oft 1. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, 2. Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, deutlich bezogen auf Körper- oder Gliederbewegungen oder bestimmte Gedanken, Tätigkeiten oder 3. Kommentierende oder dialogische Stimmen, die über den Patienten und sein Verhalten sprechen, oder andere Stimmen, die aus einem Teil des Körpers 4. Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer (bizarrer) Wahn, wie der, eine religiöse oder politische Persönlichkeit zu sein, übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten zu besitzen ( z.B. das Wetter kontrollieren zu können oder im Kontakt mit Außerirdischen zu sein). 5. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, begleitet entweder von flüchtigen oder undeutlich ausgebildeten Wahngedanken ohne deutliche affektive Beteiligung, oder begleitet von anhaltenden überwertigen Ideen, täglich über 6. Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluß, was zu Zerfahrenheit, Danebenreden oder Neologismen führt. 7. Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), Negativismus, Mutismus und Stupur. 8. Negative Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte, zumeist mit sozialem Rückzug und verminderter sozialer Leistungsfähigkeit. Diese Symptome dürfen nicht durch eine Depression oder eine neuroleptische Medikation verursacht sein. 9. Eine eindeutige und durchgängige Veränderung bestimmter umfassender Aspekte des Verhaltens der Betreffenden Person, die sich in Ziellosigkeit, Trägheit, einer in sich selbst verlorenen Haltung und sozialem Rückzug manifestiert.“ (ICD 10, Darüber hinaus spricht das DSM 4 von verschiedener Zeitspannen in der das Krankheitsbild auftritt. Es spricht in diesem Zusammenhang von Episoden, die einzeln, kontinuierlich oder auch vollremittiert auftreten können. Im ICD-10 sind die Verläufe ähnlich gekennzeichnet, allerdings noch in häufigeren Unterscheidungen. Eine weitere Unterscheidung liegt in den verschiedenen Schizophrenietypen, wobei das DSM 4 (1996) unterscheidet zwischen Paranoider Typus, Desorganisierter Typus, Katatoner Typus, Undifferenzierter Typus und Residualer Typus. Das ICD-10 (1993) spricht von hebephrene Schizophrenie (F20.1), Katatone Schizophrenie (F20.2), Undiffernzierte Schizophrenie (F20.3), Postschizophrene Depression (F20.4), Schizophrenes Residuum (F20.5), Schizophrenia simplex (F20.6), Sonstige Schizophrenie (F20.8) und Nicht näher bezeichnete Schizophrenie In meinem Berufsleben und bei meiner Nebentätigkeit in einer Beratungsstelle ist der Einsatz der Manuale manchmal angezeigt und unverzichtbar, allerdings möchte ich doch noch einige Bedenken aufführen, die ich in diesem Zusammenhang für wichtig Als erstes ist es für jemanden der sich mit den Manualen vorher nie beschäftigt hat, sehr schwierig den Gebrauch richtig zu verstehen und nachzuvollziehen. Darüber hinaus, sollte es den Ärzten, Psychiatern und ausgebildeten Psychotherapeuten überlassen werden eine Diagnose zu stellen. Für mich war es nur immer eine persönliche Einschätzungshilfe um welchen „ Krankheitstyp“ es sich handelt. Auch wenn eine hohe Akzeptanz in den deutschsprachigen Ländern zu verzeichnen ist, sollte man nicht vergessen, das durch die Übersetzung aus dem amerikanischen, bei der übergreifenden Klassifikation verschiedene Denkmodelle zugrunde liegen. Es gibt vielfältige Kompromisse, Überschneidungen, Unschärfen die bei den verschiedenen „Schulen“ oft Unzufriedenheit und Kritik hervorbringen. Für mich zeigt sich die größte Schwäche der Manuale allerdings in der Festlegungstendenz, die auf der Erfassung objektiv beobachtbarer Kriterien reduziert wird und den persönlichen „Werdegang“, die biographischen, strukturellen und vor allem dynamischen Aspekte psychischer Erkrankungen außer acht läßt. Es wird im Grunde nur das Krankheitsbild beschrieben, aber die Person die mit diesem Krankheitsbild zusammenhängt wird außen vorgelassen. Bei allem Guten was diese Manuale uns vermitteln, sollte man nie den Menschen reduzieren auf sein Krankheitsbild, sondern immer wieder genau schauen, wo denn die Person in dem 4. Existenzanalyse der Schizophrenie
4.1. Schizophrenie aus der Sicht von V. E. Frankl
Die Person kann nicht erkranken. Diese grundsätzliche Annahme von Frankl spiegelt das Menschenbild von ihm sehr deutlich wieder. Auch auf schizophrene Menschen bezieht sich diese Annahme. Mich persönlich begleitet dieser Satz seit meinen ersten Tagen der Ausbildung und drückt das aus, was ich Jahre zuvor während eines Praktikums in einer Tagesstätte für geistig behinderte Kinder sehr eindrücklich wahrnahm. Diese jungen Menschen wurden oft nur „aufbewahrt„ und mir wurde zu verstehen gegeben, dass es nur darauf ankäme, sie einigermaßen ruhig zu stellen und ihnen einige Fingerfertigkeiten beizubringen. Ich empfand dieses oft ohne Empatie, ohne persönliches Berührtsein an diese jungen schwerstbehinderten Menschen herangehen, als schwer ertragbar und der Person dieser Menschen nicht gerecht werdend. Mir war es damals schon wichtig dem Menschen zu begegnen, mit seinen Begabungen, Fähigkeiten, Gefühlen, seinem ganz persönlichem Sein. Nicht die Krankheit ist der Mensch, nicht all seine Einschränkungen, sondern das Menschsein spiegelt sich in dem wieder was er aus seinem „ Eingeschränktsein „ macht, wie er sich dazu stellt. Wichtig sind die immer noch vorhandenen Fähigkeiten, Ressourcen, durch die sich auch ein noch so schwerstgeschädigter Mensch ausdrücken kann. Schon damals erwuchs in mir der Wunsch und die Erkenntnis, das jeder Mensch ein unverwechselbares, einzigartiges Wesen ist, dem ich begegnen möchte und von dessen Sein ich mich berühren lassen möchte. Frankls Grundsatz das die Person nicht erkranken kann, ist gerade beim Umgang bei Menschen mit Psychosen, also auch der Schizophrenie, die die Gesamtpersönlichkeit eines Menschen in Erschütterung versetzt und ins Wanken bringt, zu überprüfen. Wo in der Psychose finden wir noch die Person ? Wo sehen wir die Person, durch das Erscheinungsbild der Schizophrenie, hindurchscheinen? Laut Frankl „ haben wir es somit bei den erwähnten Fällen von Schizophrenie es mit einem primär wahnhaften Gefühl zu tun das man Erlebnis des reinen Objektseins
nennen könnte“, als erlebnismäßige Passivierung. Der schizophrene Mensch erlebt sich als Objekt „ des Horchens und Lauschens anderer Menschen. als Objekt verschiedenartigster intentionaler Akte anderer Menschen.das so herausgestellte Erlebnis des reinen Objektseins möchten wir für eine Facette jener zentralen Ichstörung ansehen, die Gruhle zu den „Primärsymptomen“ der Schizophrenie Wie an einer geologischen Bruchlinie auf die Struktur der tieferen Gesteinsschichten , so läßt sich von den Primärsymptomen her auf das Wesen der schizophrenen „ Grundstörung „ schließen. Der Schizophrene erlebt sich selber so, als ob er das Subjekt- in ein Objekt verwandelt wäre. Er erlebt die psychischen Akte so, als ob sie in ihr Passivum gekehrt wären.“ (Frankl, Ärztliche Seelsorge,1982, S.261/262) Frankl sieht im weiteren Verlauf seiner Ausführungen in Anlehnung an BERZE das der Schizophrene „ an einer „Hypotonie des Bewußtseins“ „ infolge „Insuffizienz
der psychischen Aktivität“ leidet.“( Frankl, 1982, S. 268) Auf unsere Ausgangsfrage wo wir denn in der Psychose die Person sehen können, ist die Antwort Frankls im Grunde der Verweis auf das Gesunde im Kranken, auf die noch vorhandenen Ressourcen, sprich wie stelle ich mich den Stimmen entgegen, wo beziehe ich Stellung, wo kann ich den Krankheitsverlauf kreativ ge- und umgestalten. Es geht um die Selbstdistanzierungsfähigkeit des einzelnen. „ Mit einem Wort: wir haben dafür zu sorgen, daß die Auseinandersetzung zwischen dem Menschlichen im Kranken und dem Krankhaften am Menschen geleistet werde.“ ( Frankl, Theorie und Therapie der Neurosen, 1975, 4.Auflage, UTB, Reinhardt München, S.62/63) oder an anderer Stelle, “Die Logotherapie bei Psychosen (eine Logotherapie der Psychosen gibt es nämlich nicht) ist wesentlich Therapie am Gesundgebliebenen, eigentlich Behandlung der Einstellung des Gesundgebliebenen im Kranken gegenüber dem Krankgewordenen am Menschen; denn das Gesundgebliebene ist nicht erkrankungsfähig, und das Krankgewordene ist im Sinne einer Psychotherapie (nicht bloß der Logotherapie!) nicht behandlungsfähig.(vielmehr nur einer Somatotherapie zugänglich)“ (Frankl, Logotherapie und Existenzanalyse, Texte aus fünf Jahrzehnten, Piper, München, Bei der prinzipiellen Annahme Frankls, dass die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit ausschließlich der medikamentösen Behandlung vorbehalten ist, verbleibt Ihm nur der Appell an die Person. „ Die Existenzanalyse ekphoriert eine unversehrte und unverhersehrbare Geistigkeit, die auch noch hinter der Psychose steht, und sie apelliert an eine Freiheit, die auch noch über der Psychose steht: die Freiheit sich mit der Psychose auseinanderzusetzen.sobald sie Logotherapie wird, ekphoriert nicht nur das Geistige, sondern sie appelliert auch an dieses Geistige- sie apelliert an eine geistige Trotzmacht.“ (Frankl,1975, S. 59/60) Frankl wendet sich, im Gegensatz zu anderen Schulen, bei denen es hauptsächlich um die Nachreifung oder Stärkung der Ich- Funktionen bzw. der Ich-Schwäche geht, den Möglichkeiten zu, die die Person hat sich mit dieser Störung auseinanderzusetzen oder auch Ihr etwas entgegenzusetzen. Frankl bleibt auf Grund seiner Auffassung, das diese Störung eine rein biologische sei und nur die Ausdrucksformen des Menschen seine somatische und psychische erkrankt sind, gar „Die Schizophrenie ist eine Psychose, ergo eine Somatose. Diese Somatose ist ein e causa ignota – vom somatischen her ist sie unerklärlich; sofern sie jedoch vom Psychischen her verstehbar ist, können wir Sie überhaupt nur verstehen, wenn wir in ihr einen Versuch der Person erblicken, gerade ihre Einheitlichkeit zu wahren; denn die psychologische Verstehbarkeit der Schizophrenie beginnt erst dort, wo wir sehen, wie die Person versucht, eine bedrohte Ordnung zu halten.“(Frankl, Der leidende Mensch, Neuausgabe 1990, Piper, München, 1975/1984, Huber Verlag, Bern, S.184) Darüber hinaus sagt Frankl nichts spezielles zur Therapie der schizophrene Was bleibt ist im Grunde die Frage nach der Freiheit, der Trotzmacht, des Entgegenstemmens der Person gegen die oft übermächtige Pathologie. Das Personsein zeigt sich dabei in der Fähigkeit zum Abstandnehmen von Unfreiheit und meines Erachtens in der Hinwendung zu Wertvollem, Sinnvollem. Neben der Selbstdistanzierung, ist es also die Dereflexion die Frankl in den Vordergrund rückt. Laut Frankl ist dies allerdings oft, auf Grund der Schwere und Übermacht der Pathologie, schwer möglich. Was bleibt ist wie oben bereits beschrieben der Appell „ Sobald und solange ich der geistigen Person nicht gewahr werden kann, deshalb, weil die Psychose sie eben verbarrikadiert und meinen Blicken entzieht – ebensolange kann ich selbstverständlich auch nicht therapeutisch an sie heran. so das „ein logotherapeutisches Vorgehen nur in klinisch leichten bis mittelschweren Fällen von Psychose in Betracht kommt.“ ( Frankl,1975, S.59 ) Auch für den Menschen mit einer Psychose, also auch einem Menschen der an der Schizophrenie leidet, ist es möglich in den noch vorhandenen gesundenen Ressourcen Sinn zu erleben oder anders gesagt dem Leiden einen Sinn abzuringen. Frankl spricht in diesem Zusammenhang von den Einstellungswerten, wie ich mich also zu einem unabänderbaren Leiden, dem Schmerz oder dem Tod stelle. Wenn ich also einen Menschen mit einem chronischen Verlauf von Schizophrenie begleite, der sein Leben lang auf Medikation angewiesen sein wird und der immer wieder schubweise die Psychose durchleidet, ist hier seine Einstellung zum Leid „Wir sagten, im Schaffen verwirklicht der Mensch schöpferische Werte, im Erleben Erlebniswerte und im Leiden Einstellungswerte.Die Auseinander-setzung mit dem schicksalhaft Gegebenen ist letzte Aufgabe und eigentliches Anliegen des Leidens.“ An anderer Stelle beschreibt A.Längle das folgendermaßen: „Es gibt nämlich noch eine weitere Hauptgruppe von Werten, deren Verwirklichung eben darin gelegen ist, wie sich der Mensch zu einer Einschränkung seines Lebens einstellt. Eben in diesem Sich-Verhalten zu dieser Einengung seiner Möglichkeiten eröffnet sich ein neues eigene Reich von Werten, die sicherlich sogar zu den höchsten gehören. Diese Werte wollen wir Einstellungswerte nennen.“ ( A.Längle, Entscheidung zum Sein, Auf Grund dieser Einstellungswerte ist es dem Menschen möglich, dem Leiden ,der Schuld und dem Tod, den drei Aspekten „der tragischen Trias“ (Frankl, 1975/1984, S. 94 f.) einen Sinn abzugewinnen. Hierin drückt Frankl seine grundsätzliche Annahme aus, daß das Leben potentiell bis zu seinem Ende und auch noch im Leiden und Sterben sinnvoll ist. „ Aufgrund dieser Möglichkeit, ein persönliches Leiden in eine menschliche Leistung zu transfigurieren, ist das Leben potentiell bis zuletzt sinnvoll – im allgemeinen gilt es ohnehin erst zuletzt -, die Möglichkeit zu verwirklichen, auch das Leiden und noch das Sterben sinnvoll zu gestalten.“ (Frankl, Die Sinnfrage in der Psychotherapie, Mai 1981, 3 Aufl. Piper, 1988, München,) Zusammenfassend kann man also sagen , das für Frankl die Person nicht erkranken kann, sondern nur seine Ausdruckselemente, Soma und Psyche. Existenzanalytisches Vorgehen zeigt sich in dem Appell an die Selbstdistanzierung und Dereflexion, wobei die Person sich in dem Umgang mit der Erkrankung und in dem Entgegenstemmen gegen die als fremd erlebte Welt zeigt. An anderer Stelle hat Frankl, nicht nur in Bezug auf schizophrene Menschen, grundlegende Aussagen gemacht die in der Therapie, Beratung und Begleitung von Menschen von entscheidener Bedeutung sind. „Aber das Eigentliche ist vielleicht nicht mehr auf rein wissenschaftlichem Wege oder gar erst auf rein naturwissenschaftlichem Wege erfaßbar, sondern bedarf einer anderen Weise der Annäherung.Vielleicht bedarf es jener inneren Aufgeschlossenheit, die erst gegeben ist in einer liebenden Hingabe an das unverwechselbare Du des anderen , wenn wir es in seinem Wesen erfassen wollen. Heißt doch lieben letztlich gar nichts anderes als du sagen können zum andern, ihn
in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit erfassen und, freilich, darüber hinaus auch noch eines: ihn in seinem Wert bejahen . Also nicht nur du sagen können, sondern
auch ja sagen können zu ihm.Liebe macht also durchaus sehend; ja, sie macht
geradezu seherisch; denn der Wert, den sie am anderen sehen und aufleuchten läßt ist ja noch keine Wirklichkeit, sondern eher eine bloße Möglichkeit; etwas was noch gar nicht ist, sondern erst wird, werden kann und werden soll.“ (Frankl, Die Psychotherapie in der Praxis,Piper,2 Aufl.1991, 1982,Wien, S.248) 4.2. Neuere Entwicklungen in der Existenzanalyse am Beispiel der
Grundmotivationen von A.Längle
Dieses Du- und Ja-Sagen zu einem Menschen, hat in der neueren Existenzanalyse zu einer Weiterführung durch A.Längle geführt, der dem Willen zum Sinn, als Grundmotivation des Menschen, durch 3 Grundmotivationen erweitert hat, die in der Begleitung und Beratung, Therapie eine grundlegende Rolle im existenzanalytischen Verständnis ausmachen und dem Willen zum Sinn vorausgehen. Diese 3. Grundmotivationen sind im Umgang und in der Begegnung mit Menschen auch im schizophrenen Formenkreis eine große Hilfe, auch wenn sie keine explizierte Methode / Therapie bei schizophrenen Patienten darstellt. Vielmehr empfinde ich, daß der Zugang, das Verstehen-wollen dieser Menschen eigentlich immer ein einzigartiger, dem einzelnen Menschen gerechtwerdener Zugang, also ein sehr personaler sein wird und dass gerade die Existenzanalyse, die ja das Schauen des Einzelnen, seiner Person in den Vordergrund rückt, dem tiefen Empfinden und der Einzigartigkeit und Einmaligkeit eines Menschen am ehesten gerecht wird. „Das Personale an der Psychose aufzuzeigen und aufscheinen zu lassen ist das Anliegen der Existenzanalyse. Sie versucht, den Fall transparent zu machen auf den Menschen hin, das Krankheitsbild transzendieren zu lassen auf ein Menschenbild zu. Das Krankheitsbild ist nämlich ein bloßes Zerr- und Schattenbild des eigentlichen Menschen, dessen bloße Projektion in die klinische Ebene hinein und zwar aus einer Dimension des Menschseins heraus, die wesentlich jenseits von Neurose und Psychose gelegen ist, und in diesen metakilinischen Raum hinein geht die Existenzanalyse auch den Phänomenen und Symptomen neurotischen und In diesem Raum nun entdeckt sie eine unversehrte und unversehrbare Menschlichkeit.Die Existenzanalyse dehnt ihre Analyse auf die Ganzheit des Menschen aus, die nicht nur eine psychophysisch–organische, sondern auch eine geistig–personale ist. (Frankl, 1987, S.85/86) Dieses immer sich wieder neu auf den Menschen einlassen der mir begegnet, das Personale in ihm zu entdecken, seine Sinnmöglichkeiten mit ihm zu bergen, ist -wie ich es in meiner theoretischen Ausbildung gelernt habe- „mehr Kunst als Wissenschaft, mehr Phänomenologie (Wesensschau) als Methode.“ (Persönliche Mitschrift, Ausbildung Hannover 4, 1992-1994) In der Existenzanalyse geht man davon aus, dass für die Entstehung des schizophrenen Erscheinungsbildes beim Menschen mehrere Faktoren zum Tragen Hinsichtlich der verschiedenen Erscheinungsbilder und Unterscheidungen bei der Symptomatik aber auch des Verlaufes der Störungen gibt es in den einzelnen Diagnostikmanualen mehrere unterschiedliche Gruppen. Allerdings gibt es sicherlich Gemeinsamkeiten so etwas wie eine gemeinsame Grundstörung, die in allen „ Der gemeinsame Kern der schizophrenen Störungen läßt sich beschreiben als eine Schwäche des Betroffenen, innen und außen, Eigenes von anderem, Reales von Vorgestelltem zu unterscheiden, Wesentliches von Unwesentlichem zu differenzieren, Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges in der zeitlichen Abfolge zu identifizieren.“ ( Tutsch, Schizophrenie – ein Überblick, Existenzanalyse L. Tutsch (1996) geht in ihren weiteren Ausführungen noch auf verschiedene Konzepte ein, die sich mit der Erforschung schizophrener Grundstörungen beschäftigen und dabei die verschiedenen Teilaspekte versuchen zusammen zu bringen. Besonders die Arbeit von L.Ciompi zeigt dabei die Verflechtung und Wechselwirkung der verschiedenen Faktoren. Er unterscheidet bzw. „beschreibt vier Vorgänge und Mechanismen, welche Brücken schlagen zwischen biologischen Faktoren einerseits und psychosozialen Faktoren anderseits, nämlich Mediatoren, welche verständlich machen können, wie sich ein psychosoziales Geschehen biologisch niederschlägt und umgekehrt.“ ( Tutsch, 1996, S.6 ) Im weiteren Verlauf des Artikels ( Tutsch,1996 ) wird deutlich das die vier Vorgänge bzw. Mechanismen: Streß, Neuronale Plastizität, Dopaminstoffwechsel, Prigogines Theorie der Dynamik komplexer Systeme, wie sie von Ciompi ausgeführt werden, aussagen „das vor allem der Langzeitverlauf einer schizophrenen Erkrankung wesentlich von den intra- und interpersonaler Ereignissen beeinflußt wird.“ ( Tutsch, Daraus folgt das außer dem Einsatz von Neuroleptika das Abstandnehmen von den pathologischen Vorgängen zur Verhinderung der Etablierung und Fixierung wahnhafter Denkmuster ein zentrales Anliegen für die Therapie sein sollte. „Aus dem Nachvollziehen des schizophrenen Erlebens wird deutlich, dass es in der Behandlung schizophrener Menschen zentral darum gehen muß, der Fragmentierung und dem verbundenen Haltverlust entgegenzuwirken: - prophylaktisch als Schutz vor der psychotischen Dekompensation - als strukturbildene Therapie über die gesamte Behandlungszeit hinweg, im Sinne einer Lockerung der Abhängigkeit von wahnhaften „Halterungen““ ( Tutsch, Aus der jahrelange Erfahrung im Umgang mit psychotischen Menschen erscheint ihr ein Therapieverlauf über mehrere Jahre hinaus eher die Regel zu sein als die Ausnahme. Gerade hier liegt auch die Stärke der Existenzanalyse die in der Haltung der Offenheit, dem anderen gegenüber in seinem Du zu begegnen, das Annehmen in seinem Anderssein, dem Schauen was ist und dem gemeinsamen Entdecken des Sinns, der trotz der Beschränkungen, Beeinträchtigungen möglich ist, begründet liegt. Diese Haltung des Du – und Ja – Sagens zum anderen ermöglicht eine sehr tiefe Begegnung und öffnet dem Gegenüber einen großen Raum von Freiheit zur Ausgestaltung seines Lebens. „Was allerdings bleibt – und hier gibt uns die Anthropologie der Existenzanalyse ein tragendes Fundament – ist eine Haltung dem psychotisch kranken gegenüber, die ein annehmendes abwartendes „Bei-Sein“ ermöglicht, aus dem Wissen um die Person im Gegenüber.“ (W.Winklhofer, Erfahrungen im therapeutischen Umgang mit Psychosen, Existenzanalyse 3/96, S.32) Doch zurück zu den 3 Grundmotivationen die A. Längle dem Willen zum Sinn voranstellt. Ich möchte diese Motivationen nur kurz skizzieren und im übrigen auf den Artikel Sinn-Glaube oder Sinn-Gespür? Zur Differenzierung von ontologischem und existenziellem Sinn in der Logotherapie. Bulletien der GLE 11, 2, S.15-20 und den Artikel Modell einer existenzanalytischen Gruppentherapie für die Suchtbehandlung Tagungsbericht GLE 1/1993 ,S. 149-169, verweisen. Dort geht A. Längle sehr ausführlich auf diese Grundmotivation ein. Die 3 Grundmotivationen die schließlich in der 4. Motivation dem Willen zum Sinn mündet, oder wie es A.Längle (1993) ausdrückt SINNVOLL LEBEN, sind folgende: Ich möchte diese Motivationen in einem kleinen Schaubild darstellen : Wille z. SEIN Wille z. WERT Wille z. RECHT SEIN-KÖNNEN WERTSEIN-MÖGEN (Wollen) SO-SEIN DÜRFEN Ja zum DA-SEIN Es sich wohnlich machen. Was SO-SEIN ist Würde Eigenwert Eigenwert des Wertes Wert für andere. Für wen Selbstannahme Selbstdistanzierung Selbsttranszendenz Noch einige kurze Erläuterungen möchte ich zu den einzelnen Punkten geben, die sich einerseits auf meine Persönliche Mitschrift ,Ausbildung Hannover 4 und andererseits auf den Aufsatz „ Das Ja zum Leben finden“ A.Längle, in Tagungsbericht 1/1993 GLE, S. 17/18 beziehen und von einigen eigenen Punkten Zur 1. Grundmotivation: Das SEIN – KÖNNEN (Längle,1993)
In dieser 1. Motivation stellt sich die SEINS-FRAGE, die Frage nach dem SEIN- KÖNNEN. Kann ich da sein? Dasein bedeutet leben, heißt Raum nehmen aber auch geben. Der Grund meines Daseins, ist die Erfahrung, daß es mich gibt. Sprich, es geht um das Faktische. Es ist erst einmal/jetzt so, und ich kann sein. Es stellt sich die Grundfrage der Existenz: Ich bin da, aber kann ich (als ganzer Mensch) da sein?
Habe ich den Raum, den Schutz, den Halt dafür? Diesen erfährt der Mensch vor allem im Angenommensein, was ihm selbst wieder erlaubt, annehmen zu können. Menschen, die immer nur ihr Dasein sichern müssen, stellt sich nicht die Frage nach Sinn. Es fehlt ihnen die Selbstverständlichkeit des Daseins, die ja das Spüren von Leben bedeutet. Gerade hier im Spüren, daß ich bin, im Angenommensein ,im Vertrauen darauf, daß ich Halt habe, Grund unter den Füßen habe, hat der schizophrene Mensch oft Defizite. Er hat das Gefühl sich selbst zu verlieren, sich aufzulösen und vor einer sehr großen Grundangst zu stehen die ihn oftmals so beherrscht, daß er meint, daß sich alles in ihr, der Angst auflöst. Hier ihm wieder das Vertrauen in sein Dasein zu vermitteln, ihn finden zu lassen ist primäre Aufgabe. Manchmal ist ein gemeinsames Dasein mit dem schizophrenen Menschen dabei schon sehr viel. Mit ihm dieses Dasein zu erleben, schweigend zugewandt und in einer ihn annehmenden Haltung. Der schizophrene Mensch sucht immer wieder grundsätzlichen Halt, den er z. B. auch durch eine eindeutige strukturgebende Beziehung finden kann. Als sehr hilfreich habe ich klare Absprachen und Eindeutigkeit empfunden, um auch den schizophrenen Menschen nicht in ein äußeres Chaos zu entlassen, da sein innerer Zusammenhalt ihm eh schon abhanden gekommen ist. Die Erfahrung, daß er sich auf mich verlassen kann, daß ich ihn aushalte, und daß er nach einem wieder auftretenden Schub der Psychose wieder kommen kann, führt zu einer sehr tiefen und authentischen Beziehung zu diesem Menschen. Dieser Prozeß kann sich oft über Jahre hinziehen. Zur 2.Grundmotivation: WERTSEIN-MÖGEN (Längle,1993)
In dieser Motivation stellt sich die Frage nach dem Grundwert. Dieser Grundwert zeigt sich in der Grundwerterfahrung : Ich bin und das ich bin ist gut. Ich will spüren das es gut ist das ich bin, was erfahrbar ist einerseits über andere, aber gerade auch erfahrbar über mich selbst. Wo mache ich es mir wohnlich? Kann ich eine lebendige Beziehung zu mir selbst leben? Wert ist immer der Grund einer Bevorzugung. Hier bewegt den Menschen die Grundfrage des Lebens: Ich lebe – aber mag ich
eigentlich leben? Erlebe ich die Fülle, die Verbundenheit, das Zeit-Haben für Werte? Das Leben als Wert erfährt der Mensch vor allem durch Zuwendung, Nähe, Liebe. Das öffnet ihn selbst wieder, um sich anderem (Menschen, Dingen) zuwenden zu können. Sich etwas oder jemandem zuwenden zu können hat zur Voraussetzung, daß das eigene Leben als Wert empfunden wird. Dieser Grundwert besteht in dem tiefen Gefühl, daß es gut ist, daß es mich gibt. Das Grundwertgefühl ist die Bedingung für die Wertfühligkeit. Sicherlich erlebt der Schizophrene Mensch diese Anfrage an seinen Grundwert häufig als sehr verschüttet, überschwemmt von der Schwere seiner Pathologie, seiner Zerrissenheit, verletzt und dem Tode sehr nahe (Suizidgedanken) und reagiert z.B. mit Rückzug in seine eigene Welt (Autismus). Die Fragen die hier angesiedelt sind, sind Fragen ob das Leben denn überhaupt noch gut sein kann, trotz meiner Einschränkungen, trotz meiner Tiefe, meines Leides, der Einschränkung Wieviel Nähe kann ich aushalten? Was brauche ich an Zuwendung, Berührung, Nähe des anderen? Kann ich das Fühlen, Spüren noch wahrnehmen und genießen? Ich glaube das dieses Spüren und Erleben, auch von körperlicher Nähe sehr viel Geduld, Zeit, und Behutsamkeit braucht. Es wird sich dabei immer an der Möglichkeit des schizophrenen Menschen orientieren. Darüber hinaus ist es bei der existenzanalytischen Begleitung wichtig, ihm seines Wertes als Mensch aufzuzeigen und mit ihm das in seinem Alltag zu buchstabieren. Wie sorge ich für mich – gerade auch in Alltags - Lebenspraktischen Dingen. Wie steht es um meine Körperpflege? Wie wohnlich mache ich mir mein Zuhause? (Zimmer/Wohnung) Wo kann ich Zur 3. Grundmotivation: SOSEIN-DÜRFEN (Längle,1993)
In dieser Motivation geht es um die Grundfrage der Person: Ich bin ich – aber darf
ich so sein, wie ich bin. Recht sein heißt: Ich darf mein Gesicht wahren. Erfahre ich die Wertschätzung, die Achtung, den Respekt, den Selbstwert ? Diesen erfährt der Mensch vor allem durch Anerkennung, durch Ernst–genommen-werden und aktiv durch das Einstehen für sich. Das erleichtert ihm umgekehrt, andere Menschen anerkennen zu können. Anerkennen können hat zur Voraussetzung die sichere Abgrenzung des Eigenen von dem anderen. Ich darf mich abgrenzen. Ich mache mich unverwechselbar. Die Grundlage der Gelassenheit ist: Wenn ich so sein kann , wie ich bin, kann ich auch den anderen sein lassen wie er ist. Fragen die sich hier stellen lassen wären z.B. Fühle ich, daß ich ein Recht habe, so zu sein, wie ich bin ? Fühle ich, daß ich anders bin, als die anderen ? Fühle ich mich dabei einsam ? Hier in dieser Motivationsebene finden wir die Selbstachtung bzw. den Selbstwert. Von der existenzanalytischen Haltung, ist hier die Haltung der Annahme des schizophrenen Menschen in seinem So-Sein gefragt, um auch ihm die Möglichkeit zu seinem eigenen Sein geben zu können. Gerade hier wird das Personale des Einzelnen, seine Unverwechselbarkeit deutlich, die ihn von anderen unterscheidet und abhebt. Diese Haltung des Annehmens, auch die der Eigenarten des Menschen, sollte allerdings nicht als Freibrief für jedes Verhalten angesehen werden. Auch für den Begleiter, Berater, Therapeut geht es darum authentisch zu bleiben und auch eigene Grenzen aufzuzeigen, wenn es notwendig ist. Darüber hinaus habe ich im Umgang mit schizophrenen Menschen die Erfahrung gemacht, daß sie ein gutes Gespür dafür haben, ob man selbst authentisch ist. Zur 4. Grundmotivation: SINNVOLL – LEBEN (Wille zum Sinn) (Längle,1993)
Hier in dieser Motivation geht es um die Sinnfrage der Existenz: Ich bin hier – aber
was soll damit werden? Was soll ich heute tun, damit mein Leben zu einem sinnvollen Ganzen wird? Wofür lebe ich? Für den existentiellen Sinnfindungsprozeß sind die drei vorangegangenen Grundmotivationen Voraussetzung für die existentielle Antwort auf den Ruf der Stunde. Es geht also um verantwortetes Handeln (Hingabe) und Sinnvoll-leben (Erfüllung). „Der Weg dahin führt über drei Zustimmungen: Das Ja zur Welt, zum Faktischen, das Ja zum Leben, zu meinem Sein und das Ja zu mir, zu meinem So-Sein. Nun ist der Mensch frei, das Leben, oder auch sein Leiden (auch der schizophrene Mensch) so zu gestalten, daß er mit Zustimmung leben kann. Erst nach diesem Prozeß des Annehmens wird der Betroffene fähig, die 4. Grundmotivation, die existentielle Grundmotivation zu ergreifen, den Willen zum Sinn.“ (S.Längle, Existenzanalyse der Behinderung, Existenzanalyse 2/96, GLE Wien, S.39) Dieses, sein Leben, mit Sinn zu füllen und dieses Leben als sinnvoll zu erleben ist die existentielle Motivation an sich. Auch dem schizophrenen Menschen kann dieses sinnvolle Leben in seinen ihm eigenen Bezügen gelingen. Auch er kann die drei Hauptstraßen des Sinns, die Erlebniswerte, die schöpferischen Werte und vor allem auch die Einstellungswerte leben. Die Hinführung zu diesem Sinnerleben wird immer wieder Aufgabe der existenzanalytischen Beratung und Begleitung sein. In einem anderen Artikel beschreibt A.Längle, welche existentiellen Fragen in der schizophrenen Erkrankung vorliegen, die das vorangegangene ergänzen und mit denen ich meine Ausführungen schließen möchte. Ich übernehme diesen Teil des Artikels von A.Längle wörtlich, weil er in einer sehr eindringlichen und tief mitempfundenen Weise das Erleben schizophrener Menschen, mit all Ihrer Zerrissenheit, ihrer eigenen Welt, dem eigenen Empfinden, ihrer tiefen Angst, der Angst vor der eigenen Auflösung, ihrer inneren Haltlosigkeit, dem Ausgeliefert–sein von Gedanken, Stimmen , die Macht über Ihn haben, darstellt. „a) Die schizophrene Erkrankung stellt den Menschen vor drei fundamentale Fragen, die zur Bestimmung menschlicher Existenz gehören und dem Nichtschizophrenen in der innewohnenden bodenlosen Tiefe nicht geläufig sind : die Fragen nach
Wirklichkeit, Dasein und Nichtsein. Die spezifische Form der Auseinandersetzung
mit dem In-der-Welt-Sein führt den Schizophrenen in die Unausweichlichkeit einer Frage, die in der Psychopathologie sonst nie diesen Stellenwert erhält: Was ist
Wirklichkeit?
Ist es die Welt, der Traum, die Vorstellung, der Gedanke, das Gefühl, die Assoziation, die Stimmung, die Ahnung, die Befürchtung? Woran ist erkennbar, was Wirklichkeit ist? – Dieses Problem des Kriteriums der Wirklichkeit entsteht im Schizophrenen, weil ihm die Wirklichkeit nicht mehr konsistent, homogen, verläßlich, konstant, kohärent erscheint, sondern lose, erratisch, arbiträr, unverläßlich, und dadurch bedrohlich, fremd, unerreichbar. Die Wirklichkeit erscheint als eine Macht, der man ausgeliefert ist, und der durch die Auflösung des eigenen Ichs nicht mehr begegnet werden kann. Jede Art von Wirklichkeit, ob subjektiv (z. B Gedanken) oder von außen kommend (Realitäten), bricht in die als zuinnerst empfundene, eigene, personale Wirklichkeit ein. Jene innerste Wirklichkeit, die noch tiefer als alles Denken liegt und im empfundenen und gefühlten Erleben zu sehen ist, wird durch diesen Einbruch gestört und der Betroffene in der Folge orientierungslos. Dadurch wird die Welt der Wirklichkeiten schwer erträglich, und der Schizophrene kann sich ihr nicht mehr zurechtfinden b) Eng verbunden mit der Frage nach der Wirklichkeit stellt sich dem Schizophrenen das Problem: Was ist Dasein? Bin ich wirklich? Durch den Einbruch der
Wirklichkeit in das Ich und das Überschwemmtwerden des Eigenen durch da Fremde löst sich das innerste Gefühl von Kohärenz auf. Eine Trennung zwischen Eigenem Die Emotionalität als Bindeglied zur Welt und als Humus des kreativen Denkens wird unter dem Einfluß des Fremden aufgelöst bzw. selbst als bedrohlich erlebt. Ohne den inneren Bezug zu sich selbst kann das Ich seine Orientierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht finden. So wie das Hier und das Dort sich zu vertauschen beginnen, so geht das Vorher und das Nachher ineinander über. Die Bezugspunkte gehen verloren. Wie das Auge nur mit sprunghaften („sakkadierenden“) Augenbewegungen zur Wahrnehmung gelangt, indem es die Punkte zueinander in Beziehung setzt, so findet die Person ihren Ort durch den ständigen Vergleich des Vorher und Nachher und des Innen und Außen, des Nahen und Fernen. Vielleicht läßt sich das Erleben des Schizophrenen vergleichen wie das Treiben auf einem Floß, das losgebunden ist und steuerlos den Kräften des Wassers c) Als eine dritte Fundamentalbestimmung des menschlichen Daseins erfährt der Schizophrene den Tod. Das Besondere aber ist, daß er den Tod als Lebender zu
spüren bekommt. Was er erlebt, stellt ihn vor die Frage: Lebe ich noch? – Er erlebt
sich wie tot und die Welt als nicht existent. Die Auflösung geht soweit, daß das Nichts schon präsent ist. Er erlebt das Nicht–Sein im Sein zugleich. Der Schizophrene kämpft, um sich überhaupt eine Realität zu erhalten, um ein Restdasein zu spüren. Wenn der Mensch in der Angstneurose das Gefühl hat, daß er zerstört wird, so bleibt ihm doch die Gewißheit, daß die Welt erhalten bleibt. Dies unterscheidet das Erleben zur Schizophrenie. Seine Angst ist, daß sich alles in nichts auflöst. Die Welt geht unter – und er mit. Er geht unter – und die Welt mit. Er erlebt Verwesung. Nichts ist mehr vertraut, bekannt, alles scheint verloren und das Gefühl ist, daß bald nichts mehr sei. In diesem Gefühl des Entschwindens löst sich alles auf. Das Nichts bricht in das Sein ein, duchlöchert es mehr und mehr. Es ist wie das Gefühl einer Eisscholle, die durchlöchert ist, bricht und am Rande abschmilzt. So erscheint am Grunde des schizophrenen Erlebens die Auflockerung, das Abschmelzen, die Auflösung, das Auseinanderbrechen des Zusammenhalts, jener atomaren Strukturen und intermolekularen Kräfte, jene Bindungskräfte auf kleinster Ebene, die den Gegebenheiten ihre Festigkeiten verleihen und dadurch Bedingung sind, damit der Boden des Daseins entsteht. Der Schizophrene steht nicht mehr vor der Suche nach Halt in einer festgefügten Welt, wie es beim Ängstlichen und Angstneurotischen der Fall ist. Die Angst hat ihn nicht nur erreicht, sondern längst schon überschwemmt und aufgelöst und dadurch ein viel größeres Ausmaß und eine durchdringendere Intensität erreicht als in der Neurose. Der Schizophrene ist über die Haltlosigkeit längst schon verzweifelt. Er hat erkannt, daß es diesen Halt nirgends gibt. Er ist auf der Suche nach dem Grundsätzlichen, nach einem Gefüge, nach jenem Zusammenpassenden, das ineinandergreifen können und damit die Voraussetzung für Halt, Struktur und Vertrauen schafft.“( Längle, Alfried, Der Verlust des Zusammenhalts, Psychopathologie und existentielle Themen in der Schizophrenie, Existenzanalyse Im Umgehen mit Menschen die an ihrer Schizophrenie leiden, ist es für mich immer wichtig gewesen, ihrer Person zu begegnen wobei die Grundmotivationen mir dabei eine große Hilfe gewesen sind. Das Sich-einlassen-können auf diese Beziehung ist sehr intensiv und erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen, Authentizität und eigenes Berührtsein. Diese Begegnungen haben mir einen großen Respekt vor der Leistung dieser Menschen mit ihrer innerer Zerrissenheit, dem tiefen Leiden und der abgrundtiefen Angst umzugehen, abverlangt. Wichtig ist es mir in den letzten Jahren auch geworden, dabei die eigenen Grenzen von Begleitung kennenzulernen, mich selber abgrenzen zu können, ohne daß mein Gegenüber das Gefühl der Ablehnung Über die Grundmotivationen hinaus war die von A.Längle entwickelte PEA (Personale Existenzanalyse), das Wahrnehmen, Stellung nehmen, Ausdruck geben und die Sinnfindungsmethode / Prozeß, Wahrnehmen, Emotionales Einlassen, Entscheiden, Handeln, sehr gut anwendbar in der Lebensbegleitung bei Schizophrenie. Meiner Erfahrung zufolge ist die gesamte Palette der existenzanalytischen Vorgehensweise bei schizophrenen Menschen möglich, solange sie sich nicht in einem akuten Schub befinden. In der akuten Phase ist das bei dem anderen sein ,ein ihn annehmen so wie er ist, sein So-sein abwartend zu tragen, eine wichtige Grundvorraussetzung, um anschließend wieder in den begleitenden Prozeß 4.3. Lebensbegleitung bei Schizophrenie – H. –Geschichte einer Freundschaft
Die Beschreibung dieses „Falles“ liegt mir schon sehr am Herzen, weil dieser Mensch mir in den letzten Jahren sehr wichtig geworden ist, mich in meiner eigenen Entwicklung, was das Erleben von Tiefe, Leiden, Schmerzen und Nachempfinden nachhaltig geprägt hat. Die Beschreibung wird sicherlich nur bruchstückhaft stattfinden können, aber ich hoffe, daß ein wenig von dem tiefen Respekt und meiner Achtung vor diesem gelebten Leben zum Ausdruck kommt. Die erste Begegnung mit H. hatte ich als Jugendlicher auf einem Fußballturnier, bei dem H. in der Mannschaft des Jugendwohnheims spielte, indem ich später selbst tätig wurde. Mich beeindruckte damals seine Schnelligkeit, die für einen Fußballspieler schon außergewöhnlich war. Wie sich viel später herausstellte war dieses „Laufen“ auch ein Synonym für das Wegrennen vor dem Leben, dem Leid und der inneren Zerrissenheit, aber auch seinem Drang nach Freiheit. Wenn ich jetzt hier sitze und diese Entwicklung einer Beziehung beschreibe, stelle ich fest das ich H. bereits seit mehr als 20 Jahren kenne und unseren ersten Gespräche auch schon solange zurückliegen. Allerdings ging es damals noch nicht um eine existenzanalytische Lebensbegleitung, aber im Rückblick hatte auch das damalige Umgehen schon etwas von der zuvor beschriebenen Theorie. Mich berührte H. damals sehr, ich wußte, daß er in den verschiedenen Kinderheimen aufgewachsen war, eine „schwierige“ Kindheit und eine Drogenkarriere hinter sich hatte, aber er auch einen großen Drang nach sinnvollem Leben in sich trug. Er hatte eine sehr tief innewohnende Angst, eine Zerrissenheit und Unsicherheit wie ich sie vorher nicht kennengelernt hatte. Er war auf der Suche nach etwas Grundsätzlichem, etwas das seinem Leben Halt gab. Der Glaube war damals, und ist auch heute noch, für ihn eine wichtige Stütze, wobei sich dieser Glaube in den letzten 2O Jahren verändert hat, er ist erwachsener, personaler geworden. In den ersten Jahren des Kontaktes mit H. waren die Gespräche mit ihm oft von Glaubensfragen, Schuldgefühlen, Angst und von den Stimmen die er hörte, geprägt. Zu dieser Zeit war das Gebet für ihn der Platz, der Ort, an dem er zur Im Jahre 1982 begannen bei H. seine Halluzinationen, optische und akustische. Er spürte, wie die Stimmen Zwang über ihn ausübten, er hatte Verfolgungsgedanken, hörte Aufforderungen, sich und anderen etwas anzutun und kam schließlich nach einem gescheiterten Selbstmordversuch in die Psychiatrie. H. verblieb dort einige Wochen, bevor er für etwa einem halben Jahr ins LKH verlegt wurde. Die Schizophrenie war inzwischen voll ausgebrochen und er wurde medikamentös eingestellt. In der Zeit seines Psychiatrie- und LKH-Aufenthaltes habe ich ihn regelmäßig besucht und schließlich auch wieder abgeholt als er entlassen wurde. Die nächsten Jahre waren weiterhin geprägt von seiner Suche nach Grundsätzlichem, seiner inneren Zerrissenheit, seiner Angst, seinen Schuldgefühlen und in akuten Schüben von optischen, akustischen Halluzinationen, Verfolgungsgedanken und der Angst verrückt zu werden, sich selbst oder anderen etwas anzutun. In diesem Zusammenhang war für mich eine Erkenntnis, daß er gerade in den akuten Schüben sehr genau von den Halluzinationen berichten konnte, z.B. wie der Staub des Bodens sich in rasendem Tempo auf ihn zubewegt und mehrere Stimmen in seinem Kopf sich über ihn unterhielten und ihn aufforderten bestimmte Dinge zu tun. Nach Abklingen der Symptome konnte er sich oft nicht mehr daran erinnern und es fiel ihm schwer sie zu beschreiben. Es ist als wenn sie gar nicht dagewesen wäre, als H. war inzwischen durch den chronischen Verlauf der Schizophrenie erwerbsunfähig geworden und ist seit 1984 Rentner. Auffällig war zu diesem Zeitpunkt, daß regelmäßige körperliche Arbeit, körperliche Anstrengungen (z.B. Fußballspielen), Veränderungen jeder Art, wieder akute Schübe der Schizophrenie auslösten. Meine eigenen Möglichkeiten auf H. adäquat, und dem Krankheitsbild entsprechend einzugehen, waren noch eingeschränkt. Es war für ihn wichtig, tagesstrukturierende Maßnahmen zu haben, die den Prozeß Halt zu finden unterstützten. Wir haben uns dann während meiner ersten Zeit im Jugendwohnheim fast täglich morgens zu einem kurzen Gespräch und zum Gebet getroffen, was ihm immer sehr wichtig war. Durch das Gebet fand er immer wieder zur Ruhe, allerdings erschien das Fehlen des Gebets wie der Entzug seines Halts, das Wegrutschen in eine tiefe Darüber hinaus hat er für uns regelmäßig kleinere Erledigungen durchgeführt, Botengänge gemacht und bei Umzügen geholfen die wir hin und wieder Durch dieses enge miteinander leben, wir lebten als Familie während meiner Arbeit in dem Jugendwohnheim, auch im selben Haus wie H., ergaben sich während des Tages immer wieder Begegnungen auch mit den anderen Mitgliedern meiner Familie (Frau, Kinder). Er fühlte sich wohl und im Laufe der Jahre entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis und wie er selber einmal ausdrückte ein Heimatgefühl, was sich einerseits auf das Jugendwohnheim und andererseits auf unsere Familie bezog. Durch meine eigene Ausbildung in Existenzanalyse und Logotherapie wuchs das Verständnis, das Verstehen einiger Zusammenhänge in Bezug auf die Erkrankung von H. Auch die Beschäftigung mit der Literatur und den Diagnoseschlüsseln gab mir einen besseren Einblick in das weite Feld der psychischen Erkrankungen. H. hatte im Laufe der Zeit mitbekommen, daß ich in einer Beratungsstelle nebenberuflich tätig war. Er hat sich dann mit der Bitte an mich gewandt doch auch mit mir regelmäßige Gespräche in der Beratungsstelle führen zu können. Wir haben dann von Ende 1994 bis etwa Mitte 1995 einmal in der Woche Beratungsgespräche geführt. Diese Gespräche begannen immer im Hier und Jetzt, in seiner jetzigen Befindlichkeit und führten im Lauf der Gespräche, aber auch immer wieder hinein in seine Biographie. Die wichtigsten Themen waren hierbei, seine Schuldgefühle, seine starke innere Unruhe, Angst und Zerrissenheit, das Gefühl sich selbst zu verlieren, keinen Halt, keinen Grund zu spüren und manchmal war es ein nur beieinander sein in abwartender, aufmerksamer Haltung ohne viele Worte, manchmal hatte er nichts zu sagen, war aber froh dasein zu können. Seine Kindheit hat er selber als sehr belastend erlebt und nicht in einer Familie aufgewachsen zu sein, war für ihn sehr schmerzhaft und traurig. Er wußte nicht wo er „Zuhause“ ist, worin er sich gründen konnte, die starke Grundwerterschütterung war gerade in seinen biografischen Themen zu spüren. Die Verzweiflung über Schuld, die er auf sich geladen hatte war sehr häufig präsent und es gelang ihm nur langsam sich zu dem zu stellen, Verantwortung für sich zu übernehmen, für sein Verhalten, aber auch zu unterscheiden zwischen Schuld und Schuldgefühlen. Gerade die Beziehung zu der Erzieherin, aus der ein Kind hervorgegangen ist, war lange und oft Thema in unseren Gesprächen. Es brauchte viel Geduld und ein immer wieder sich neu einlassen auf die tiefen Fragen die dort aufbrachen. Durch den langen kontinuierlichen Zeitraum der Gespräche gelang es H. sich selber Struktur zu geben, die täglichen Gespräche und Gebete schlichen sich langsam aus und das sich selber halten können, Ruhe finden, hatte sich verschoben. Dieses tägliche Treffen war nicht mehr notwendig, er konnte selber für sich sein, für sich beten oder auch nicht, es war mehr Freiheit auch in seinen Glauben gekommen. H. hat mir einmal zwischendurch gesagt, daß das Wissen, daß er jeder Zeit das Gespräch mit mir suchen darf, also meine Gesprächsbereitschaft, für ihn sehr wichtig war. Das Wissen -ich kann kommen- war ihm oft Halt genug. Auch heute reicht es ihm, wenn es ihm wieder einmal schlechter geht, daß er bei uns anrufen und uns besuchen kann, das Wissen -dort darf ich sein-. Etwa Mitte 1996 kam H. noch einmal zu mir, um -wie er sagte- existenzanalytische Gespräche zu führen. Diese Sequenz, die sich über 5 Gespräche, die einmal wöchentlich stattfanden, hinzog, möchte ich hier kurz skizzieren. Ging es in dem Jahr davor um eine längerfristige, grundsätzliche Begleitung, das Finden eines eigenen Haltes, das „Verstehen“ seiner Krankheit, eigene Verantwortung übernehmen, mehr Freiheit gewinnen und den eigenen Lebensraum auf ein breiteres Feld zu stellen. kam H. jetzt mit einem klaren Anliegen zu mir, was er aber in der ersten Stunde noch nicht benennen konnte. Er berichtete mir, er fühle sich zur Zeit schlecht, das Leben im Markus-Heim mache ihm keinen Spaß mehr, die anderen Mitbewohner gehen ihm „auf den Geist“ und er habe oft das Gefühl weglaufen zu müssen, um diese für ihn schwer zu ertragende Situation aushalten zu können. Er vernachlässige sich selbst, seine Körperhygiene, seinen eigenen Wohnraum. Es tauchen wieder verstärkt Suizidgedanken und Halluzinationen auf. Wir schauten uns gemeinsam seine Tages– und Wochenstruktur an. Im genaueren Hinsehen, dem Aufspüren der primären Emotion, stellte sich im Laufe der ersten drei Gespräche heraus, daß der große Drang nach Freiheit, Selbständigkeit sich in ihm verfestigt hatte. Durch das Hinschauen auf die eigene Tages- und Wochenstruktur und durch die Gespräche spürte er wieder Halt, was ihm wiederum ermöglichte, sein eigentliches Anliegen wahrzunehmen. Er wollte ausziehen und eine eigene Wohnung haben, konnte das aber so direkt nicht Über die äußere Situation, Unzufriedenheit, Verlust des Heimatgefühls im Markus– Heim, kam er schließlich doch an dieses Gefühl, seinen Wunsch nach Freiheit und eigenständigem Leben, heran. Hierbei war mir die schon erwähnte personale Existenzanalyse von A. Längle eine gute Hilfe. In den beiden anderen Gesprächen ging es dann, nach dem Wahrnehmen, der Entscheidung (ich will alleine in einer Wohnung leben) um die Umsetzung , das ins Leben bringen dieser Entscheidung. Sie war bei ihm natürlich mit Angst verbunden, da er noch nie alleine in einer eigenen Wohnung gelebt hatte. Wir haben dann die Möglichkeiten des eigenen Wohnen in den letzten beiden Gesprächen konkret durchgespielt. Wir erstellten einen Zeitplan für den Auszug, und gingen den Fragen nach, wo schaffe ich etwas alleine, wo brauche ich Hilfe von anderen, wie bekomme ich diese, was wird sich ändern usw. Darüber hinaus habe ich ihm meine Hilfe angeboten, vor allem für die erste Zeit des Inzwischen lebt H. seit fast 3 Jahren alleine in der Wohnung und kommt ganz gut klar. Vor kurzem hat er mir noch einmal in einer unseren vielen Begegnungen gesagt, daß er froh ist, daß er nach dem Entschluß auszuziehen und eigenes Land zu betreten, kaum noch Halluzinationen gehabt hat. Vergessen sollte man allerdings nicht, wie wichtig die medikamentöse Einstellung ist, ohne die es sicherlich oft oder sogar in den meisten Fällen, gerade bei chronischen Verläufen der Schizophrenie, wieder in ein Abrutschen in die Psychose kommt. Mir ist diese ärztliche, psychiatrische Abklärung in der Praxis immer ganz wichtig gewesen. H. hat in all den Jahren durch seine Depotspritzen (Haldol) und mit seinen Tabletten (Leponex) immer ein gutes Auskommen gehabt und ich empfand das Zusammenarbeiten mit H. ist ein Freund der Familie geblieben und wird es sicherlich auch bleiben. Er ruft öfter in der Woche an oder kommt auf einen Kaffee vorbei. Dann sitzen wir manchmal auf unserem Balkon und er gibt uns zu verstehen das für ihn diese Beziehung wichtig ist und er bei uns seine „Familie“ gefunden hat. Diese Beziehung/Begleitung ist sicherlich nicht übertragbar auf jede existenzanalytische Lebensbegleitung bei Menschen die an Schizophrenie leiden, dafür ist Sie inzwischen zu persönlich geworden. Bestimmte Haltungen und das persönliche Einlassen, sich Berührenlassen vom anderen, sind Grundvorraussetzungen bei der Begleitung, um ein wenig von der Tiefe, des Schmerzes, der Grundangst, der Zerrissenheit, des Sich-Verlierens, des Sich- Auflösens dieser Menschen zu verstehen. 4.4. Beschreibung der existenzanalytischen Vorgehensweise
Ich habe die Form der Beschreibung dieses Falles gewählt um nicht dezidiert zu erklären, wie ich bestimmte existenzanalytische Methoden oder Vorgehensweisen angewandt habe, sprich wann und wie ich die PEA, die Sinnerfassungsmethode, die Methode der Einstellungsänderung oder die Methode der Paradoxen Intention angewandt habe. Nur noch zum vielleicht besseren Verstehen des Verlauf in diesem Der Anfang der existenzanalytischen Gespräche, die sich über einen Zeitraum von etwa einem Jahr hinzogen , begann immer im „Hier und Jetzt“, in der Gegenwart und der Befindlichkeit des Klienten. Konkret wurden die Gesprächen oft mit Fragestellungen eröffnet die sich auf die erste Stufe der PEA bezogen, also auf den Zentralgedanken der Berührung eingingen. Diesen primären Eindruck zu heben, zu versuchen an das spontane Gefühl heranzukommen war meistens Ausgangspunkt der Gespräche. Fragen wie : Wie ist das für Sie? Was empfinden Sie da? Wie geht es Ihnen damit? waren Ausgangspunkte um den Eindruck zu bergen. Bei der Inneren Stellungnahme, also dem sich zu dem Primären Eindruck stellen, dem was den Klienten berührt, gab es oft Schwierigkeiten, weil die Verunsicherung, die Erschütterung der Grundwerterfahrung sehr stark war. Mit Fragen wie : Was halten sie davon ? Was bedeutet ihnen das? Verstehen sie das? konnte H. oft nicht so viel anfangen. Hier war es schwierig die innere Stellungnahme zu bergen. Verständlich, denn gerade da wo jemand es schafft klar Stellung zu nehmen , desto sicherer hat er auch seinen GRUND auf dem er steht. Dieser Grund ist aber gerade bei Menschen die an Schizophrenie leiden, an dem Verlust des Zusammenhalts wie A.Längle ihn beschreibt, so erschüttert das es ihnen schwerfällt Gerade das war im Verlauf der Gespräche aber immer wieder das Ziel, nämlich das H. Halt bekam, Grund auf dem er stehen konnte. Es ging dann über das Finden des Halts hinaus, um Abgrenzung gegenüber anderen, dem sich Entgegenstemmen der Stimmen in sich, auch der Schuldgefühlen, um die Einstellungswerte, nämlich dem Finden einer Einstellung zu seiner Einschränkung und darüber hinaus auch um ein sinnvolles, eigenständiges Leben in der Gemeinschaft. Hier waren die Schaffung von Möglichkeiten um Erlebniswerte zu leben eine sehr H. hat während der Zeit häufig an Fahrten in Freizeitparks und freizeitpädagogischen Maßnahmen nach Holland teilgenommen. Von diesen Erlebnissen erzählt er heute noch oft. Es sind Erlebnisse die ihm keiner mehr nehmen Um dieses ins Leben zu bringen , also um dem Ausdruck zu verleihen, es zu verwirklichen also um die Kernfrage : Was wollen, was willst du jetzt tun? ging es vor allem, in der später beschriebenen Sequenz der Gespräche, als H. sehr unzufrieden mit seiner damaligen Heim - Situation war. Hier war es ihm möglich nach Durchlaufen der ersten beiden Schritte der PEA, dem Bergen des Eindrucks und der anschließenden Stellungnahme, im dritten Schritt dem Ausdruck, Handeln konkret mit mir seinen Auszug zu planen, ihn durchzuspielen in seiner Phantasie und ihn dann aber auch konkret umzusetzen. Es ist ihm gelungen diesen Schritt mit Hilfe anderer wirklich umzusetzen. Bei den vielen Begegnungen die wir miteinander hatten, gab es auch Zeiten wo all diese Möglichkeiten existenzanalytischer Methoden nicht möglich war, nämlich dann wenn die Psychose wieder durchbrach und ihn Suizidgedanken und Halluzinationen Hier habe ich das abwartende, Zeit gebende, Sosein dürfende, annehmende Beisein beim anderen als für ihn sehr hilfreich und Halt - gebend erfahren. Das waren die Begegnungen die unsere tiefe Freundschaft mitgeprägt haben und wo Es gab in all den Jahren immer ein Nebeneinander verschiedener Faktoren die ineinander griffen, um H. ein größstmöglichstes Maß an Freiheit, sinnvollem und eigenständigen Leben auf dem Hintergrund seiner Wirklichkeit, unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen, zu geben. Diese Faktoren waren und sind es auch noch heute: - Regelmäßige Medikamentation durch die Ärztin - Regelmäßige existenzanalytische Gespräche - Sozialtherapeutische Maßnahmen, wie Tagesstrukturierung , Hilfe bei Ämterangelegenheiten, konkrete Mithilfe bei Wohnungsangelegenheiten, Aufbau - Das Dasein meinerseits, wobei Verläßlichkeit, Kontinuität, Klarheit und Authentizität sehr entscheidend sind und das Wissen ich darf immer Ich glaube das bei der Begleitung schizophrener Klienten gerade das Dasein des Begleiters wichtiger ist als die speziellen Behandlungsmethoden. 4.5. Lebenslauf - Bericht
Ich habe vor etwa einem Jahr H. gebeten doch einmal einen Lebenslauf/ Bericht zu schreiben, den ich hier vollständig wiedergeben möchte, weil es für H. einerseits eine sehr große Anstrengung und Auseinandersetzung war diesen Bericht zu schreiben und andererseits denke ich zeigt er sein Erleben deutlich auf. Ich habe den Bericht so abgeschrieben, wie er ihn mir gegeben hat, ein Einscanen war mir leider nicht möglich. Eine kurze Bemerkung noch zu seinem Lebenslauf. Er hat diesen Bericht sehr eng zusammengeschrieben, oft ohne Punkt und Komma, auch in seiner Schreibweise wurde mir noch einmal die große Enge, Angst deutlich die H. heute noch in sich trägt und die in den vielen Gesprächen, die wir im Laufe der letzten Jahre geführt haben, immer wieder Thema war. Lieber Jens auf deinen Wusch hin, schreibe ich diese Zeilen. Als ich noch ein Klein-Kind war, hat mein Vater mich gerne gehabt. Aber was ich nicht mochte, war, daß er meinen Spatz (Penis) immer in den Mund nahm. Mein Vater (leibliche), hat mich sehr gerne gehabt. Ich weiß noch, wie ich die Welt entdeckte, um mich herum. Wenn ich „Fliegen“ wollte, warf er mich in die Luft und fing mich wieder auf. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Einmal wachte ich auf und ich entdeckte eine Eisenbahn. Jetzt kommt etwas negatives von meinem Vater. Er war oft betrunken und ich sehnte mich immer danach, daß mein Vater mit mir spielte. Einmal wollte meine Mutter aus Verzweiflung den Hammer nehmen und auf den Kopf meines Vaters einschlagen. Mein Vater war im Gefängnis und ich weiß noch wie er aus der Zelle winkte. Uns fehlte das Geld um Lebensmittel einzukaufen. Die Kriminalpolizei war oft bei uns. Alles was ich im Kopf habe, versuche ich aufzuschreiben. Einmal nahm meine Mutter den Topf Spaghetti und warf ihn über den Kopf meines Vaters. Nachts mußte ich raus, weil meine Mutter zum Bauern oder Bürgermeister ging oder zum Pfarrer. Daß ich aufstehen mußte, mitten in der Nacht, war anstrengend. Mein Bruder kam auf die Welt und ich wußte noch, daß meine Mutter mit einem anderen Kerl zusammen war. Das Bügeleisen stand auf dem Tisch und ich verbrannte die Hose von meinem Vater, der sich darüber aufregte. Manchmal war ich auch ganz alleine zu Hause, wenn mein Vater und meine Mutter unterwegs waren in der Schweiz. Ich bin in Lörrach geboren und lebte in Maulburg. Alles kann man nicht behalten. Soviel ich von mir weiß, wollte ich nicht in die Schule. Fremde Leute besuchten oft uns und in meiner Einsamkeit ging ich den Berg hoch und beschäftigte mich im Wald. Oft lief ich den Berg hoch und runter und meine Schnelligkeit im Laufen, kam wahrscheinlich daher. Meine Mutter war oft verzweifelt. Auch sie betrank sich um dem Kummer zu entfliehen. Sie wußte oft nicht, wie sie uns ernähren sollte. Einmal lief ich einem älteren Mädchen nach, weil ich teuflisch fasziniert war. Ich glaube es war eine Französin. Als ich wieder nach Hause ging, empfing mich meine Mutter mit Dresche. Auch im Kornfeld war ich mit einem Mädchen so eng umschlungen, daß ich die Welt um mich herum vergaß. Einmal kamen Leute in weißen Kleidern in unsere Behausung und haben gesungen. Als mein Bruder zur Welt kam, war es stürmisch kalt und dunkel draußen. Ich lief meiner Mutter im Krankenwagen hinterher. Meine Mutter bekam später Krebs und wie ich weiß, war da ein Doktor und wir mußten draußen auf der Strasse warten. Es war dunkel. Ich weiß aber auch noch von Leuten in Schopfheim, wo mein Bruder geboren ist, von einem Ingenieur, der für seine Kinder eine elektrische Eisenbahn gebaut hat. Ich durfte zugucken. Meine Mutter betete auch das Vater unser. Durch meine Mutter habe ich auch meinen Bruder sehr gerne gehabt. Ich weiß noch, wie wir aus einer Milchflasche tranken. Einmal war ich auf dem Bauernhof nebenan und ärgerte den Hofhund und der schnappte zu und biß mich in die Seite. Seitdem gehe ich Hunden lieber aus dem Weg. Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Eltern wollten mich am liebsten los sein. Wir waren oft in der Schweiz. Eine Schiffahrt auf dem Bodensee war etwas sehr schönes. Auch mit dem Zug waren meine Mutter und Bruder und ich sehr oft. Ich weiß noch wie ich in einer Scheune übernachtete, im Stall oder im Park. Es gab aber auch schlimme Zeiten. Da war ein Wassereimer und ich stieß meinen Bruder mit Absicht auf die Kante des Eimers, weil er zuerst oder auch trinken wollte. Dafür mußte ich zwei Tage im Keller verbringen. Dann wurde meine Mutter von einem Schäferhund gebissen, der meine Mutter aus dem Oberarm ein Stückfleisch herausbiß. Das alles war bis zu meinem siebten Lebensjahr. Oft war meine Mutter verzweifelt. Einmal wollte sie sich von der Brücke stürzen ins Wasser (Rhein). Da sagte ich:“ Mutti tu das nicht.“ Wir waren oft gemieden. Ich weiß noch, wie ein Schaffner meine Mutter abends anschnauzte, sie hätte sich ausgezogen, wo doch meine Mutter ein Notbedürfnis hatte. Dann erinnere ich mich noch daran, als wir bei Zigeunern waren. Am Sonntag - Morgen als wir wieder weggingen, sahen wir eine Mann mit Messerstichen am Boden liegen. Gottes Engel hat uns beschützt. Rengsdorf 21.Juli 1959 - 1962 (7.Lebensjahr bis 11. Lebensjahr) Als wir bei den Behörden auffällig wurden und meine Mutter von uns getrennt hat, war ich sehr unglücklich. Ich glaube, ich habe lange geweint um meinen Bruder und meine Mutter. Bis auf einmal ein Ruck durch mich ging und ich habe am Leben teilgenommen. Ich wurde sehr aggressiv und hinterhältig. Aber davon später. Ich kam in die dortige Heimschule und meine Zensuren waren sehr schlecht. Ich war einfach nicht bei der Sache. Mit 7 ½ Jahren bin ich sehr spät eingeschult worden. Immer mußte ich an meine Mutter denken. Dann kam wieder ein Ruck und ich steigerte meine Zensuren. Abends wenn ich schlafen ging, praktizierte ich mit meinem Bettnachbarn Homosexualität. Ich war einsam. Mein Bruder hat in seinem Bettchen immer geweint und ich mußte ihn trösten. Vielleicht habe ich auch manchmal gebetet, ich weiß es nicht mehr. Auch mit Mädchen hatte ich viel zu tun. Einmal lag ich unter dem Bett mit 2 Mädchen und ich habe sie berührt am Geschlecht. Eine junge Frau, die in diesem Heim gearbeitet hat, hat uns vielleicht gesehen, aber nichts unternommen. Damals fing ich schon an mit Pflegepersonal (junge Frau) Sozialarbeiterin über mich und meine Vergangenheit zu erzählen. Einmal schlich ich mich zu den Mädchen und hatte das Glück nicht erwischt zu werden. Immer bin ich heimlich an den Wasserkran gegangen und habe meinen Durst gestillt. Es gab auch schöne Zeiten. Der Wald, die Bäume, spazieren - gehen. Auf den Bäumen herumklettern. Mit neun Jahren interessierte ich mich für die Posaune, Fußball, Sport überhaupt. Eigentlich war ich ein fröhlicher Junge. Dann kam die Zeit in der Schalterstrasse. Ein Heim wo Jungs in Gruppen eingeteilt waren. Ich war auf der Station „ Himmelreich „ Mein Bruder auf der Station I , glaube ich. Ich spielte weiter Posaune im Chor, so gut es ging. Einmal kam jemand und zeigte mir wo es lang ging. Ich mußte ihm beim Onanieren helfen. Ich weiß nicht mehr so richtig, was ich dabei empfunden habe. Es war schrecklich, aber auch irgendwie interessant. Ich mußte meinen Mund halten und war nicht mehr so froh wie vorher. Ich glaube, daß meine Aggressionen daher kommen. Zum Glück bin ich mit meinem Bruder nach Wesel gekommen. Manchmal war ich so einsam, daß ich einen Jungen geküßt habe. Wesel (1963-69) Wesel sollte meine Heimat werden. Mein Bruder und ich sollten eigentlich zu Pflegeeltern kommen, aber ich habe abgelehnt. Eine Tragik. In den Ferien sind wir immer zu meiner Oma nach Duisburg gefahren. Bei aller Schlechtigkeit meines Charakters, habe ich trotzdem viel geweint um meinen Vater und meine Bruder. Einmal mußten wir wieder nach Wesel zurückfahren und mein Vater hat uns bis Dinslaken gebracht. Im Zug habe ich so geweint, es wollte einfach kein Ende nehmen. Der Psychische Schmerz war manchmal sehr heftig. Der Heimleiter . . ., brachte mich auf die Städtische Realschule. Am Anfang ging es ganz gut. Aber dann habe ich immer bei Klassenarbeiten auf das Heft meines Mitschülers geguckt. Das Niveau der Schule war zu hoch für mich. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich der Meinung, daß eine Handwerkerlehre für mich besser gewesen wäre. Oft habe ich noch den Satz im Ohr von . : Das kannst du nicht und dieses beherrscht du nicht. Ich war verzweifelt. Und dennoch habe ich den Realschulabschluß in der Tasche gehabt in Essen. Ich war sexuell weiter sehr aktiv. Das ging soweit, bis ich eine Kindergärtnerin geschwängert habe. Es war die obengenannte. Ein Mädchen erblickte das Licht der Welt. Jetzt begann es schwierig zu werden. Ich wollte der ganzen Welt zeigen, daß ich Vater geworden bin und mußte etwas unterdrücken. Ich durfte keinem was sagen. Einmal war ich in Krefeld bei einem älteren Heimbewohner dem ich das offenbarte. Der Sinn nach dem Leben, begann in meinem Leben zu dominieren. Oft fragte ich mich, was das für einen Sinn alles haben sollte. Heute muß ich noch in einem Stoßgebet, Gott um Verzeihung bitten, was ich alles getan habe. Aber das Schlimmste, was ich tun konnte, war, daß ich R. in Ihrer Periode, sexuell mißbraucht habe. Ich habe während der Blutung, den Penis reingehalten. Mein Leben wurde immer verstrickter. Später habe ich das erst erkannt, daß das eine schlimme Sünde ist. Wer sollte mir helfen ? Ich wurde meinen Mitheimbewohnern ag ressiv und brutal. Einmal habe ich einem Heimbewohner, der ganz still im Raum saß meine Faust spüren lassen. Ich glaube er war gerade im Gebet. Wir haben uns alle getrennt und nun beginnt die zeit in Essen, wo ich jetzt seit 1969 lebe. Essen (1969-1997) Anfangen möchte ich damit, daß ich den Realschulabschluß gemacht habe. Ich sollte zur Bundeswehr eingezogen werden. Aber ich war so einsam, daß ich den Einberufungsbefehl verbrannte. Es begann die Zeit mit den Drogen. Eine Freundin habe ich rumgezeigt. Es war ganz schlimm. Heute bin ich dankbar, daß ich meine Schuld, Jesus Christus abgeben konnte. Ich bin in England gewesen und habe dort eine Brieffreundin besucht. Vierzehn Tage war ich dort. Als ich zurückkam habe ich in einem Busch onaniert. Ich schäme mich heute. Ich war sehr undiszipliniert. Zwei Monate hat mich E.P. (Heimleiter) noch behalten, dann mußte ich gehen. Heute glaube ich, daß der Widersacher Gottes, bei mir ganz schön am Werk war. Ich ließ mir eine Opiumspritze ansetzen. Was ich dabei empfunden habe kann ich erzählen. Das Opium ging durch mein Blut ins Gehirn. Man hat mir eine Schüssel Wasser danebengestellt, falls ich brechen sollte. Jedenfalls war ich für eine kurze Zeit in und dabei. An Gott dachte ich nicht mehr. Vielleicht kamen auch die Magengeschwüre daher, die ich heute noch habe. Kommissar L., ließ die Clique auffliegen durch mein Verhör. Meine Haare wurden immer länger. Ein bißchen Hoffnung habe ich gehabt, daß irgendwie noch alles gut wird. Wie, wußte ich nicht. Ich war sehr einsam. So einsam, wie der Astronaut nach seinem Mondflug war. Der eigentliche Wahn und Einsamkeit begann, als ich bei Studenten war und wir eigentlich kollektiv zusammen leben sollten. Morgens eine Pfeife Haschisch und Alkohol, bis zum geht nicht mehr. So stelle ich mir die Einsamkeit vor, als Jesus im Garten Gethsemane war. Der Satan hatte mich in den Klauen. Manchmal dachte ich an Gott. Meine Freundin war bei mir. Vergessen darf ich nicht, daß meine 1. Freundin ein Kind abgetrieben hat. Ich bereue heute noch. Wenn ich noch länger dageblieben wäre, hätte mich der Teufel ganz gehabt. Einmal war ich auf dem Sportplatz und rannte um mein Leben. Hoffnung. Das war es. 1971 kam ich ins Markus - Heim. Ich arbeitete, so kam es mir vor, um mein Leben. Es kam mir komisch vor, daß so viele alte Leute im Heim waren. Ein bißchen Fußball habe ich auch gespielt. Ich durfte mittrainieren. Wieder rannte ich um mein Leben. Ich habe auf dem Bau gearbeitet. Als ich bei meinem ersten Spiel war, sah ich alles doppelt. Die Kameradschaft war wohl das gute daran, daß ich noch mal eine Lebensperspektive hatte. Dann kam die Bundeswehrzeit von 1972 - 1973. Es war alles nicht so einfach. Den Trip den ich vorher nahm, war schon Wahnsinn genug. Die Weiber standen auf sowas. Ich war mit jedem gut Freund und dann kam das Schlimme. Ich konnte meinen Kopf nicht bewegen, weil ich dachte, er reißt mir ab. Einmal muß ich einen gefährlichen Blick drauf gehabt haben. Der Kollege aus Krefeld bekam es mit der Angst zu tun. Als ich in meinem Zimmer, das war in Kehlburg, kam es mir vor als wäre ich unheimlich dick. Genau wie der Buddha. Dann war ich bei Leuten, die mir was von Timothy Leavy etwas vorlasen. Ich habe auch gelesen. In dem Trip war Strychnin. Ein gefährliches Nervengift. Die Bundeswehrzeit. Am Anfang ging es eigentlich ganz gut. Aber ich habe in dieser Zeit viel in mich reingefressen. Bis ich einmal die Geduld verloren habe. Nicht, daß ich geschlagen habe. Ganz im Gegenteil. Etwas pazifistisches lag in mir. Ein Mitsoldat nahm den Gürtel und wollte mich schlagen. Ich lief raus und weinte. Ich war sehr einsam. Auf die Idee zu einem Seelsorger zu gehen, fiel mir dabei nicht ein. Abends, nach Dienstschluß, ging ich in den Park und praktizierte meine Homosexualität. Das ging fast ein Jahr so. Dabei trank ich viel Alkohol. Das war einfach schlimm. Nach der Bundeswehrzeit ging ich in das Heim, ins Markus - Heim. Herr. . nahm mich auf. Ich war schnell im Laufen und das half mir, ein bißchen Halt zu finden. Gebetet habe ich wahrscheinlich auch, aber es sollte noch tiefer gehen. Drei Monate arbeitete ich im Krankenhaus, Uni - Klinik und ich mußte die Toten transportieren. Ich war fertig. Ich arbeitete bei einer Getränkefirma, wieder nur 1 Monat. Es schlossen sich noch andere Firmen an. Es war zum Weinen und geweint habe ich viel in dieser Zeit. 1974 ging ich zum Grenzschutz und stand bei der Vereidigung in der ersten Reihe. Der damalige Innenminister hat mich angeguckt und mein Herz schlug so heftig, daß ich dachte, ich kippe um. Wieder hatte ich Probleme und verließ den Grenzschutz. Der Hauptmann fragte mich, was ich habe, aber ich konnte es nicht erklären. Vielleicht wollte ich mir keine Blöße geben. Ich kam nach Mönchengladbach zur britischen Rheinarmee. Wieder nur 3 Monate durchgehalten, obwohl ich länger wollte. Ich trampte nach Marseille, wo ich 1971 schon ,mal mit einem Schulkameraden war. Dann kam ich zurück und konnte in Duisburg bei einem jungen Mann übernachten. Wir rauchten Haschisch. 1974 im Dezember, glaube ich, bin ich wieder ins Markus - Heim eingezogen. Als ich unterwegs nach Frankreich war, blieb ich eine Nacht bei einem Studenten. Ich war müde und wollte schlafen. Plötzlich merkte ich, wie er meine Hose aufmacht. Erst wollte ich nicht, dann ließ ich es geschehen. Das war in Bonn. Durch das Markus - Heim bin ich durch die Tiefe gegangen. Immer dachte ich an R. und S., meine leibliche Tochter. Ich trank ziemlich viel Alkohol. Ich hatte bei der Stadt eine Stelle gefunden. Einmal, als wir im Park gearbeitet haben, verließen mich alle guten Geister und ich stellte mich bloß und rief dabei: Alkohol. Ich bekam die Kündigung. Es war zum Heulen. Herr. . schimpfte mit mir. Das war 1975. Was ich danach erlebte war Wahnsinn. Der Sommer war heiß und in mir spielte sich grauenhaftes ab. Das ging soweit, daß ich die Scheiße von der Wand ableckte und runterschluckte. Auf der Straße nahm ich Kot vom Hund und schmierte ihn ins Gesicht. Ich hatte niemanden der mir half. Auch aggressiv wurde ich. Dann kam die Ruhe nach dem Sturm. Auch aus der Mülltonne habe ich gelebt. Als ich in Duisburg war, rannte ich drei Mädchen nach. Dann kam der Vater, wahrscheinlich und machte einen Ringkampf mit mir. Dann kamen junge Leute und der stärkste schlug mit der Faust dreimal ins Gesicht, daß ich zu Boden ging. Die Polizei kam, nahm mich in den Wagen, sonst wäre noch Schlimmeres passiert. Eine Nacht im Knast. Fingerabdrücke wurden gemacht und mein Kopf fotografiert. Ich war also ein Verbrecher. Ich haute ab aus dem Markus - Heim. Wie gesagt, ich lebte aus der Mülltonne. Immer unterwegs und kein Mensch , der mit mir redete. Die Ruhe nach dem Sturm kam erst 1977. 1979 lernte ich die Gemeinde, kennen. Ich wollte einfach mehr über Jesus und Gott erfahren. Ich ging auch zum Hauskreis, dem ich bis heute, treu geblieben bin. 1980 - Ich durfte mit der Jugend vom GJW Rheinland auf die holländische Insel Texel fahren. H.R. war unser Leiter. Wir hatten, glaube ich, eine gute Gemeinschaft. Nur ein bißchen zu wenig Geld. Tanzen machte ich nicht. Da begann ich mit J. zu reden. In diesem Jahr starb mein leiblicher Vater. Das schönste dabei war das Meer oder die See, Fußball, Tischtennis und vor allem Radfahren. Ich begann über die Schöpfung zu staunen, so der Abendhimmel mit seinen leuchtenden Farben. Auch mit A. und M. hatte ich gute Gespräche. Wir saßen beim Bibelstudium auf Melk - Hockern und das Sitzfleisch tat weh. Auch zur Gemeinde gehen war nicht einfach, weil ich noch soviel zu lernen hatte. Der Glaube begann zu wachsen, es hat aber noch gedauert bis ich mich taufen ließ. Der Teufel hatte bestimmt noch Gewalt über mich, denn alles ging schief. Meine Arbeit als Landschaftsgärtner wollte nicht klappen. Dann hatte ich eine Arbeit bei Behinderten und nach langer Zeit habe ich geweint über mich und alles in meiner Umgebung. Fast nach einem Jahr habe ich Halluzinationen bekommen. Optische. Meine Nerven müssen gereizt gewesen sein, daß ich anfing zu schlagen. Irgendwie habe ich bei jedem Hilfe gesucht. Ich habe oft mit dem Heimleiter gebetet, aber der Regen im November verursachte alles noch mehr. Ich glaube ich habe jeden Tag mit . gebetet. Er meinte es wären Depressionen. Ich begann über Selbstmord nachzudenken. Am 6. Dezember 1982 bin ich auf einen Strommast geklettert. Vielleicht 8 Meter hoch. Ich wollte die Stromleitung anfassen, bis ich mich entschied herunter zu springen, etwa 6 Meter tief. Als ich unten ankam hatte ich Schmerzen in der Brust.(Thoraxprellung) Es tat weh und ich ging zu einem Haus um . anzurufen. Als ich seine Stimme hörte, war ich froh. Ein Krankenwagen brachte mich dann zum Krankenhaus und ich war erst einmal Nachts untergebracht. Zum ersten Mal fragte ich nach Gott und dem Herrn Jesus. Ich kam in die Psychiatrie in Essen wo ich gleich am ersten Tag auffiel, weil ich eingesperrt war. Ich nahm den Stuhl und feuerte ihn gegen das Fenster. Die Pfleger packten mich und gaben mir eine Valiumspritze. Ich schlief tief und fest. Mit der Zeit wurde ich dermaßen aggressiv, eben weil ich krank war. Die Sonne schien und trotzdem war alles so dunkel. J. hat mich des öfteren besucht und mit mir gebetet. Damals konnte ich nicht glauben, daß die Sonne auch für mich wieder scheint. Einen Ringkampf mit dem Arzt habe ich auch gemacht bis ich nachgab und ich ans Bett gebunden war. Ich rief laut, nein, ich schrie zu Jesus bis ich nach Bedburg - Hau (LKH) kam, das liegt bei Kleve an der holländischen Grenze. Ich war ruhig. Dann habe ich wohl soviel in mich reingefressen, daß ich von der Depression in die Aggression überwechselte. Man brachte mich in einen Fixierraum. Dort rief ich laut nach Jesus. Am anderen Morgen schenkte mir ein Kollege ein Päckchen Tabak. Ich wollte so gerne an die frische Luft. Einmal wollte ich abhauen und sprang über den Zaun. Ein anderer holte mich ein und brachte mich zurück. Ich hatte durch den Unfall an der B1, Wasser im Knie. Herr L. besuchte mich und als er mir von seiner Tochter erzählte, daß sie krank war, betete ich was das Zeug hielt. Man machte mir Hoffnung und eines Tages im Juli 1983 durfte ich nach Essen wieder ins Markus - Heim. 1984 war meine Taufe. Vorher hatten wir einen Unfall mit dem VW - Bus gehabt. Der Wagen hat sich mehrmals überschlagen und wir kamen heil davon. Ja, 1984 war meine Taufe und diesen Tag vergißt man nicht. Pastor G. hat mich getauft und Herr L. hat den Taufspruch gelesen, den er für mich ausgesucht hat: Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Die ersten 5 Jahre waren sehr schön. Ich glaube, der Herr Jesus war uns sehr nah. Ich durfte dreimal nach Italien. Dann war ich sechs oder sieben Mal im tollen Egmond aan Zee. Auch da war der Herr mir sehr nah. In einem Freizeitpark konnte jeder seinen Mut beweisen. Ich traute mich mit Hilfe eines Freundes auf die Loopingbahn. Ich war mächtig stolz. Dann auf dem Nachhauseweg haben wir gegrillt. Glück und Zufriedenheit haben mich begleitet. Angst und Schweiß - Herzjagen, Ängste mancherlei Art (Selbstmordgedanken), Halluzinationen optische und akustische - Immer wenn ich eine Dummheit mache oder Fehler mache habe ich ein schlechtes Gewissen. z.B. mit dem Rauchen. Meine Gewissensstimme sagt mir, ich solle aufhören. Aber ich bin zu schwach. Dann ist da eine Stimme, die mir einflößt, daß ein Christ so etwas nicht tun darf. Ich hatte schon solche Momente, wo ich einfach nicht mehr weiter wußte. Selbstmordgedanken sind mir nicht fremd. Vielleicht kommt das daher, weil ich bei den Studenten in Kettwig so harte Sachen erlebte, daß ich am Bahnsteig stand und auf den nächsten Zug wartete. Bei dieser Sommerzeit ist es gar nicht so einfach über Halluzinationen zu schreiben. Akustische Halluzinationen sind gar nicht so einfach aufzuschreiben. Ich habe manchmal mehrere Stimmen in meinem Kopf. Oft denke ich, daß Jesus, der Heilige Geist und schließlich Gott selber zu mir sprechen. Leider kann ich keine Story über Halluzinationen schreiben. Wenn ich meine Spritze und die Medikamente (Psychopharmaka), wenn ich diese nicht hätte, würde es mir dreckig gehen. Oft bekomme ich Angst nach dem Fußballspiel. Auch beim Einkaufen in der Stadt komme ich mir manchmal sehr einsam vor. Ich spreche zum Herrn Jesus. Ich weiß das ich das darf. Sprechen ist für mich sehr wichtig. Auch gucke ich kein fern- das Radio hält mich schon genug gefangen. Die Bilder und das was man hört kommt mir schon nah genug. 5. Abschließende Gedanken
„ Die Bilder und das, was man hört, kommt mir schon nah genug.“ Dieses schizophrene Erleben von H. hat mich die letzten Jahre begleitet. Durch die enge, personale Beziehung, hat meine eigene Angst, Unsicherheit viel von ihrer Bedrohung verloren. Sein Umgehen, seine Auseinandersetzung mit der Psychose beeindruckt mich immer wieder. Ich habe großen Respekt vor H. und dem was er aus seinem Leben gemacht hat, trotz seiner „Erkrankung“. Ich hoffe, daß ein Stück dieser tief empfundenen Verbundenheit in meiner Arbeit Zusammenfassend sollte man sagen, daß die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeit mit schizophrenen Menschen, zumindestens was die psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten angeht, noch in den „Kinderschuhen“ steckt. Es wird auch Aufgabe der Existenzanalyse in den nächsten Jahren sein, sich diesem Bereich stärker zuzuwenden. Die Ausformung und Weiterentwicklung existenzanalytischer Methoden und vielleicht auch die vermehrte Zuwendung/Erfahrung mit diesen Menschen wird die jetzige Situation verbessern. Die Therapie/Begleitung schizophrener Menschen wird sicherlich immer aus vielen verschiedenen Bausteinen (Medikation, Sozialtherapeutische Maßnahmen, Existenzanalytischer Beratung/Therapie) bestehen. Wichtig halte ich darüber hinaus ein gutes Miteinander aller verschiedener „Behandler“, aus den unterschiedlichen Bereichen, bei dem Umgang mit schizophrenen Menschen. Wichtig deshalb, damit das innere Chaos, das der schizophrene Mensch ohnehin schon erlebt, nicht durch das äußere noch verstärkt Schließen möchte ich mit meinem Ausgangspunkt: Die Person kann nicht erkranken. Diese Aussage Frankls und die weitere Ausdifferenzierung A. Längles durch die drei Grundmotivationen wurden mir durch die Begegnungen mit schizophrenen Menschen sehr plastisch vor Augen geführt. Ich möchte auf diese sehr authentischen, unverwechselbaren und tiefen Begegnungen in meinem Leben nicht mehr verzichten. 6. Literaturverzeichnis
Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen, DSM-4, übers. n.d. 4 Aufl. d. Diagnostic and statistical manual of mental discorders der American Psychiatric Association, by Hogrefe Verlag, Göttingen, Bern, Tornto, Seattle, 1996 Frankl,V.E., Theorie und Therapie der Neurosen, 4.erweiterte und ergänzte Auflage, Frankl,V.E., Ärztliche Seelsorge- Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse, 4., vom Autor durchgesehene, verbesserte und ergänzte Auflage, Fischer Taschenbuch-Verlag GmbH, 1987, Verlag Deuticke, Wien, 1982 Frankl,V.E., Die Psychotherapie in der Praxis, 2.Aufl. 1991,Piper München, beruht auf d. 4. erw. und neu bearb. Aufl. Deuticke Wien 1982 Frankl,V.E., Die Sinnfrage in der Psychotherapie, 3.Aufl. Piper, München 1988, Frankl,V.E., Der leidende Mensch, Durchges. Neuausgabe 1990, Piper München, Lizenzausgabe m. Genehmigung des Verlags Huber, Bern, 1975/1984 Frankl,V.E., Logotherapie und Existenzanalyse, Texte aus fünf Jahrzehnten, Piper, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10, Kapitel V (F), klinisch diagnostische Leitlinien/ WHO, übers. und hrsg. Von H. Dilling., 2 kor. Aufl., Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, Verlag Huber 1993 Längle, Alfried, Entscheidung zum Sein, Viktor E.Frankls Logotherapie in der Praxis, Originalausgabe Piper München, 1988 Längle, Alfried, Der Verlust des Zusammenhalts, Psychopathologie und existentielle Themen in der Schizophrenie, Existenzanalyse 3/96, S. 13 – 21, GLE Wien, 1996 Längle, Alfried, Das Ja zum Leben finden, Erweiterer Tagungsbericht GLE Wien, Längle, Alfried, Modell einer existenzanalytischen Gruppentherapie für die Suchtbehandlung, Erweiterer Tagungsbericht GLE Wien, 1/1993, S.149 – S. 169 Längle, Silvia, Existenzanalyse der Behinderung, Existenzanalyse 2 / 96, S.34-39, Persönliche Mitschrift, Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse , Hannover Tölle, Rainer, Psychiatrie, 9.Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tutsch, Liselotte, Schizophrenie - ein Überblick, Existenzanalyse 3/96, S. 4 – S. 12, Vetter, Brigitte, Psychiatrie, Psychiatrie: ein systematisches Lehrbuch für Heil-, Sozial- und Pflegeberufe, Stuttgart, New York, 1989 Winklhofer, Walter, Erfahrungen im therapeutischen Umgang mit Psychosen, Existenzanalyse 3/96, S. 30 – S.33, GLE Wien, 1996

Source: http://www.existenzanalyse.ch/uploads/media/Lemberg_Jens_1999_-_AA179.pdf

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