Fallbesprechungen zum grundkurs Öffentliches recht ii (teil 2)

Fallbesprechungen zum Grundkurs Öffentliches Recht II (Teil 2)
Fall 5 – Lösung –
Die Klage des H hätte Aussicht auf Erfolg, wenn sie vor dem (rechtsweg-)zuständigen Gericht er-
hoben werden würde sowie zulässig und begründet wäre.
Aufbauhinweis: Hier wird ein dreistufiger Aufbau i.R.d. Klage vertreten. Ein zweistufiger Aufbau, der zwischen Sachur-
teilsvoraussetzungen und Begründetheit unterscheidet ist nicht falsch. Es ist umstritten, ob die Eröffnung des Rechts-
wegs und die Zuständigkeit des Gerichts Zulässigkeitsvoraussetzungen oder allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
sind; siehe § 17a Abs. 2 GVG. Vertiefend und für einen zweistufigen Aufbau Leitner, Die Eröffnung des Verwaltungs-
rechtswegs als Problem des Klausuraufbaus, JuS 2004, 956 ff.
Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 VwGO
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrän-gende Sonderzuweisung vorliegt. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (Abgrenzung öffentliches Recht – Privatrecht) Zu prüfen ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Dies richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Demnach ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlich-rechtlichen Normen zu beurteilen ist. Die Klage behandelt hier die Frage, ob die Er-laubnis widerrufen werden durfte. Subordinationstheorie: Stehen die Parteien in einem Über-/ Unterordnungsver-
hältnis? Im Ergebnis ist vorliegend ein Subordinationsverhältnis gegeben: Das Gewerbe-aufsichtsamt ist laut Sachverhalt zuständig und kann so einseitig dem H die Erlaubnis entziehen. Modifizierte Subjektslehre / Sonderrechtslehre: Richtet sich die streitentschei-
dende Norm an einen Träger öffentlicher Gewalt? Ist ausschließlich ein Träger öffentli-cher Gewalt berechtigt bzw. verpflichtet? Zu den in § 15 Abs. 2, 3 GastG genannten Maßnahmen ist alleine die zuständige Behörde berechtigt bzw. verpflichtet (vgl. § 30 GastG, § 1 Abs. 1 S. 1 GastV).
Ergebnis: Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+). Nichtverfassungsrechtlicher Art (Abgrenzung Verwaltungsrecht – Verfassungsrecht) Die Streitigkeit ist mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit nichtverfassungsrechtlicher Art; es streiten keine Verfassungsorgane um verfassungsrechtliche Positionen. Es greift keine abdrängende Sonderzuweisung ein. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg er-öffnet.
1 Zu den Abgrenzungstheorien siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 3 Rn. 10 ff.
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Formulierungsvorschlag:
“Fraglich ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO gegeben ist. Die streitentscheidende
Norm für den Widerruf der Erlaubnis ist § 15 Abs. 2, 3 GastG. Damit die Streitigkeit öffentlich-rechtlich ist, müsste die
streit-entscheidende Norm dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein. Nach § 15 Abs. 2, 3 GastG kann die Behörde ein-
seitig in einem Über-/Unterordnungsverhältnis eine Gaststättenerlaubnis entziehen, sodass es sich nach der Subordina-
tionstheorie um eine Norm des öffentlichen Rechts handelt. § 15 Abs. 2, 3 GastG berechtigt und verpflichtet alleine eine
Behörde in ihrer Funktion als Hoheitsträger, sodass auch nach der mod. Subjektstheorie eine Norm des öffentlichen
Rechts gegeben ist. Es handelt sich damit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist diese auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine abdrängende Son-
derzuweisung ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.“
Zuständiges Gericht
Das VG München ist nach § 45 VwGO sachlich und nach § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 AGVwGO örtlich zuständig. B. Zulässigkeit
Statthafte Klageart
Die statthafte Verfahrensart richtet sich nach dem Rechtsschutzbegehren des H (vgl. § 88 VwGO). H möchte vorliegend gegen den für ihn nachteiligen Aufhebungsbescheid vorgehen. Dieser ist nach der Theorie vom actus contrarius ein VA gem. Art. 35 S. 1 BayVwVfG, wenn der aufgehobe-ne Bescheid, hier die Gaststättenerlaubnis ein VA war. Die Gaststättenerlaubnis stellt eine hoheit-liche Maßnahme einer Behörde (Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG) zur Regelung eines Einzelfalles mit un-mittelbarer Rechtswirkung nach außen dar. Damit ist auch der Aufhebungsbescheid ein Verwal-tungsakt nach Art. 35 S. 1 BayVwVfG. Statthafte Klageart ist somit die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.
Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO
Hiermit sollen Popularklagen (vgl. Art. 98 S. 4 BV) vermieden werden
Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts? Definition (nach Maurer): Subjektiv-öffentliches Recht ist die dem Ein-
zelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes
Verhalten verlangen zu können. Zwei Voraussetzungen: Rechtsnorm, die dem Schutz einzelner Bürger dienen (subjek-
tiv) und die der Verwaltung eine bestimmte Verhaltenspflicht auferlegen (öffentlich). Beachte hierzu die neueren Ansich-
ten der Literatur und die Ausführungen in der Vorlesung. Bei Ermessensentscheidungen (-), aber Recht auf ermessens-
fehlerfreie Entscheidungen.
Damit H klagebefugt ist, müsste er möglicherweise in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein. H ist möglicherweise in seiner durch das GastG konkretisierten Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, als Adressat eines belastenden Verwaltungsakts jedenfalls möglicherweise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG (sog. Adressatentheorie) verletzt und somit klagebe-fugt. Widerspruchsverfahren
Vorliegend ist kein vorheriger Widerspruch notwendig, § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO. Durch Art. 15 AGVwGO wurde das Widerspruchsverfahren für den größten Teil der Verwaltungsgerichtsfälle faktisch abgeschafft. In den noch übrigen Fällen ist es nur fakultativ vor-gesehen. H kann direkt vor dem Verwaltungsgericht klagen.
2 Maurer, (Fn. 1), § 8 Rn. 2.
3 Vgl. Maurer, (Fn. 1), § 8.
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Klagefrist
H müsste die Klage nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts erheben. Bekanntgabe des VA als fristauslösendes Ereignis. Der VA vom 07.11.2013 wurde dem H am 08.11.2013 zugestellt und damit gemäß Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 3 BayVwZVG bekanntgegeben. 09.11.2013, 0.00 Uhr, nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB. Die Frist richtet sich nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO: 1 Monat. Eigentlich 08.12.2013; 24.00 Uhr, aber Sonntag, d.h. nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO Fristende am Montag, 09.12.2013 um 24.00 Uhr. H könnte die Klage hier fristwahrend erheben. Form, §§ 81, 82 VwGO
Die Klage ist gemäß der Form des § 81 VwGO zu erheben und muss den von § 82 VwGO aufge-stellten inhaltlichen Anforderungen genügen. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
H ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, § 1 BGB beteiligungs- und als Geschäfts-fähiger nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, §§ 2, 104 ff. VwGO prozessfähig. Die Stadt München ist als Gebietskörperschaft und damit juristische Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, Art. 1 S. 1 GO beteiligtenfähig und wird nach § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 2 GO vom Oberbürgermeister vertreten. Zwischenergebnis: Die Klage wäre zulässig.
C. Begründetheit
Die Anfechtungsklage wäre begründet, soweit sie sich (I.) gegen den richtigen Beklagten richtet (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), wenn (II.) der Aufhebungsbescheid rechtswidrig ist, und wenn (III.) der Kläger dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Passivlegitimation
In Bayern existiert keine landesrechtliche Bestimmung i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, weshalb
immer § 78 Abs. 1 Nr.1 VwGO anzuwenden ist, sog. Rechtsträgerprinzip.
Hier handelt die Behörde (Gewerbeaufsichtsamt) der Stadt München. Passivlegitimiert ist daher
die Stadt München als deren Rechtsträgerin. Diese ist eine originäre Gebietskörperschaft nach
Art. 1 GO und kann daher selbstständig klagen und verklagt werden.
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Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides
Der Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, wenn er ohne Rechtsgrundlage erlassen wurde (1.) oder wenn er deren formelle (2.) oder materielle (3.) Voraussetzungen nicht erfüllt. Rechtsgrundlage
In Betracht kommt hier Art. 49 BayVwVfG, da lt. SV die Gaststättenerlaubnis rechtmäßig erteilt wurde. Dieser kann allerdings nur dann eingreifen, wenn keine speziellere Norm vorliegt. Eine solche liegt vor, wenn in einer Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen und zusätzlich mindestens ein weiteres Merkmal entweder begrifflich oder sinngemäß enthalten sind. Vorliegend ist an § 15 Abs. 2, 3 GastG zu denken. Dieser ist lex specialis zu Art. 49 BayVwVfG und hier die richtige Rechtsgrundlage. Formelle Rechtmäßigkeit
Der Bescheid müsste formell rechtmäßig sein. Er müsste sowohl im Hinblick auf die Zuständigkeit der Behörde, als auch im Hinblick auf seine Form und auf das vorausgehende Verfahren ord-nungsgemäß ergangen sein. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörde ergibt sich aus § 30 Hs. 1 GastG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 GastV (Kreisverwaltungsbehörde), Art. 9 Abs. 1 S. 1 GO (Wahrnehmung der Kreisver-waltungsaufgaben durch die kreisfreie Gemeinde). Die Örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist von einer ordnungsgemäßen Anhö-rung des H nach Art. 28 BayVwVfG auszugehen. Auch sind für einen Verstoß gegen die Formvorschriften keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Bescheid ist daher formell rechtmäßig. Materielle Rechtmäßigkeit
Der VA ist materiell rechtswidrig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage des VA nicht erfüllt sind. Da es sich bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 2 GastG um eine gebundene Entscheidung handelt, ist keine Prüfung des Ermessens durchzuführen. Dennoch darf aber auch dieser VA nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Bei § 15 Abs. 3 GastG ist zusätzlich eine Ermessensprüfung nötig („kann“). § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG
Zu prüfen ist daher, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt sind. a) Nach § 15 Abs. 2 GastG ist die Erlaubnis dann zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG zum jetzigen Zeitpunkt
rechtfertigen würden, sog. nachträgliche Unzuverlässigkeit. Unzuverlässig ist, wer nach dem
Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künf-
tig ordnungsgemäß betreibt. Allerdings kann der Verstoß aus dem Jahr 1988 allein nicht An-
knüpfungspunkt für die Annahme eines Versagungsgrundes im Jahr 2013 sein. Zum einen la-
gen zwischen H’s Verstoß 1988 und seiner Erlaubnis von 1997 neuen Jahre, in welchen er
sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. Daher musste H bereits im Jahr 1997 wieder als
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zuverlässig angesehen werden. Zum anderen, sollte man dennoch in H’s Verhalten von 1988 einen Versagungsgrund für 1997 sehen, wäre dieser Versagungsrund heute nicht nachträglich eingetreten, sondern bestand schon vor der Erlaubniserteilung im Jahr 1997. b) Bei der Untersuchung in jüngster Zeit wurde festgestellt, dass H verbotene, weil gegen das
Lebensmittelrecht verstoßende, Zusatzstoffe in seine Speisen mischte. Die Verwendung der Zusatzstoffe ist eine gegenwärtige Tatsache. Die Tatsache ist nachträglich eingetreten. Nach jetzigem Stand wäre H die Erlaubnis nicht zu gewähren, da ein Verstoß gegen Lebensmittel-recht eine Gewähr für die dauerhafte Zuverlässigkeit bei dem Betrieb einer Gaststätte erwar-ten lässt. Folglich begründet dieser Verstoß H’s Unzuverlässigkeit iSv § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Die Unzuverlässigkeit des H rechtfertigt die Versagung der Erlaubnis, sodass die Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG widerrufen werden musste. Der Tatbestand der Rechtsgrundlage ist erfüllt. Verstöße gegen höherrangiges Recht sind nicht ersichtlich. § 15 Abs. 3 GastG
Weitere Widerrufsgründe in § 15 Abs. 3 GastG sind nicht ersichtlich. Zwischenergebnis
Der Aufhebungsbescheid ist formell und materiell rechtmäßig. Damit wäre die Klage unbegründet. Ergebnis
Die Klage des H wäre zwar zulässig, aber unbegründet. Sie hätte deshalb keine Aussicht auf Er-folg. ÖR II/2 – Fall 5 – Lösung – WS 2013/2014
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Die Klage des A hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie vor dem (rechtsweg-)zuständigen Gericht erho-ben wurde sowie zulässig und begründet ist. Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 VwGO
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, wenn es sich um eine öffent-lich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrängende Sonder-zuweisung vorliegt. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (Abgrenzung öffentliches Recht – Privatrecht) Zu prüfen ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Gegenstand ist der Erlass einer Baugenehmigung. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt je nach der Natur des Rechtsverhältnisses vor, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. A stützt seinen Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung hier auf den mit S geschlossenen „außergerichtlichen Vergleich“. Der Abschluss dieser Vereinba-rung war A freigestellt. Fraglich ist, ob es sich hierbei um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. Art. 54 ff. BayVwVfG handelt. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem öffentlich-rechtlichen Vertrag und einem VA
mit Nebenbestimmung ist primär der erklärte Wille der Beteiligten. Diese haben hier explizit
von einem „außergerichtlichen Vergleich“ gesprochen, der zudem laut Sachverhalt „ausge-
handelt“ wurde. Deshalb ist von einem (öffentlich-rechtlichen) Vertrag auszugehen. Die Sub-
ordinationstheorie
liefert vorliegend keine trennscharfe Unterscheidung von öffentlichem
Recht und Privatrecht, da sich der hier geltend gemachte Anspruch aus einem Vertrag und
nicht aus einem einseitigen Hoheitsakt ableitet.
Für die Frage der Qualifikation eines Vertrages als öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche
Vereinbarung greift man statt dessen auf die Gegenstandstheorie nach Art. 54 S. 1
BayVwVfG zurück („auf dem Gebiet“): Maßgeblich für die Rechtsnatur des Vertrages ist
demnach dessen Gegenstand und nicht die Rechtsstellung der Vertragsparteien. Der Ge-
genstand des Vertrages ist aus seinem Inhalt (Rechte und Pflichten) zu ermitteln.
Vorliegend zielt der Vertrag auf die Verpflichtung zum Erlass einer Baugenehmigung und
damit auf die Verpflichtung zum Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes. Insoweit
geht es also um die Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechts.
Anmerkung: Die herkömmlichen Theorien zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht kommen bei
einem öffentlich-rechtlichen Vertrag entweder gar nicht (Subordinationstheorie) oder nur in besonderen Fällen
(Sonderrechtstheorie) zum Tragen. Ein Über- und Unterordnungsverhältnis ist der Vertragsform als solcher
nämlich nicht zu entnehmen, und auch die Sonderrechtstheorie greift nur dort, wo der Vertrag in Vollzug einer ge-
setzlichen Regelung geschlossen wird, die dem öffentlichen Recht angehört (z.B. Vertragsnaturschutz nach
Art. 2a BayNatSchG, § 124 Abs. 1 BauGB). Regelmäßig ist deshalb zu fragen, ob der Vertragsgegenstand (Inhalt
der vertraglichen Verpflichtung, Rechtsfolgen) dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann (Gegenstands-
theorie
).
Da der Inhalt der vertraglichen Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Natur ist, ist die Vereinba-rung zwischen der Stadt und A insgesamt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.d. Art. 54 ff. BayVwVfG.
4 Zur Vertiefung: Maurer, (Fn. 1), § 14 Rn. 8 ff.
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Nichtverfassungsrechtlicher Art (Abgrenzung Verwaltungsrecht – Verfassungsrecht) Die Streitigkeit ist mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Es greift keine abdrängende Sonderzuweisung ein. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Sachliche und örtliche Zuständigkeit, §§ 45, 52 VwGO
Sachlich zuständig ist das Verwaltungsgericht (§ 45 VwGO). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 52 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist entscheidungskompetent. Zulässigkeit der Klage
Statthafte Klageart
Die statthafte Verfahrensart richtet sich nach dem Rechtsschutzbegehren des Klägers (vgl. § 88
VwGO). A begehrt hier einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, so dass u.U. eine
allgemeine Leistungsklage statthaft sein könnte. Allerdings begehrt A hier konkret den Erlass einer
Baugenehmigung und damit den Erlass eines VA i.S.v. Art. 35 S. 1 BayVwVfG. Statthafte Klageart
ist daher die Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2
VwGO.
Anmerkung: Kommen die Parteien ihren Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht nach, so muss
der jeweilige Anspruchsinhaber Klage auf Erfüllung des Vertrags vor dem Verwaltungsgericht erheben. Die Kla-
geart ist abhängig von dem Gegenstand des Vertrags.
Hat sich die Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet, so muss der Bürger Verpflichtungsklage
nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO erheben.
Hat sich der Bürger zu einer Geldleistung verpflichtet und unterlässt er die Zahlung, so muss die Behörde gegen
ihn eine allgemeine Leistungsklage erheben. Es ist der Behörde nicht möglich, ihre Ansprüche aus dem Vertrag
mit Hilfe eines Verwaltungsaktes festzusetzen, da sie mit dem Vertragsschluss das Über-Unterordnungsverhältnis
(und damit die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts) aufgegeben und sich zum Bürger auf ein Gleichord-
nungsverhältnis begeben hat.
Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO
A müsste klagebefugt sein. Der Kläger muss hierzu ein subjektives Recht geltend machen, das – nach seinem plausiblen Sachvortrag – möglicherweise verletzt ist (Möglichkeitstheorie). Die Kla-gebefugnis ist zu verneinen, wenn der Anspruch auf die Leistung offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder dem Kläger zustehen kann. Hier folgt die Möglichkeit eines Anspruchs auf die begehrte Leistung aus der mit der Stadt S ge-schlossenen Vereinbarung i.V.m. Art. 54 S. 1 BayVwVfG. Die Klagebefugnis ist damit gegeben. Hinweis: Auf die Adressatentheorie ist bei einer Verpflichtungsklage nicht zurückzugreifen, es kommt nicht darauf an, ob der Kläger der Adressat des begehrten Verwaltungsakts wäre. Vielmehr kommt es nur darauf an, dass die Behörde das Recht, aus dem der Kläger den Verwaltungsakt begehrt, möglicherweise durch ihre Ablehnung/Unterlassung verletzt hat. Damit wird als subjekti-ves Recht stets die Rechtsgrundlage des begehrten Verwaltungsakts angeführt. Widerspruchsverfahren
Vorliegend ist die erfolglose Durchführung eines Widerspruchsverfahren nicht Zulässigkeitsvo-raussetzung, § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO. Ein Fall des fakultativen Wider-spruchverfahrens gem. Art. 15 Abs. 1 AGVwGO ist nicht ersichtlich. Klagefrist
Fraglich ist hier, ob A innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 VwGO gegen den Bescheid vorgegangen ist. Nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO muss, wenn ein Widerspruchsbescheid nicht erfor-derlich ist, die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben ÖR II/2 – Fall 5 – Lösung – WS 2013/2014
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werden. Für die Verpflichtungsklage gilt Abs. 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist, § 74 Abs. 2 VwGO. Bekanntgabe des VA an den H als Voraussetzung der Frist Fraglich ist zunächst, wann der Bescheid dem A bekannt gegeben wurde. Laut Sachverhalt wurde der Bescheid am 14.10.2013 zur Post aufgegeben. Er ging dem A aber erst am 21.10.2013 tat-sächlich zu. Die Bekanntgabe erfolgte daher gem. Art. 41 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG am 21.10.2013. 22.10.2013, um 0.00 Uhr, nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB. Die Frist richtet sich nach § 74 Abs. 1 VwGO: 1 Monat 21.11.2013; um 24.00 Uhr, nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. A konnte daher die Klage auch am 21.11.2013 noch fristwahrend einlegen. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Der Kläger ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, § 1 BGB beteiligungs- und als Geschäftsfähiger nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft und juristische Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, Art. 1 S. 1 GO beteiligungsfähig und wird nach § 62 Abs. 3 VwGO, Art. 38 Abs. 1, 34 Abs. 1 S.2 BayGO vom Oberbürgermeister vertreten.
Form, §§ 81, 82 VwGO
Die Klage ist gemäß der Form des § 81 VwGO zu erheben und hat den von § 82 VwGO aufgestell-ten inhaltlichen Anforderungen zu genügen. Zwischenergebnis: Die Klage ist zulässig.
Beiladung
N ist als Nachbar beizuladen, § 65 Abs. 1 VwGO (vertretbar ist auch eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO anzunehmen). Denn er ist in seinen Nachbarrechten durch die Bauge-nehmigung betroffen, er hat die bauliche Anlage zu dulden, wenn diese den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht und genehmigungsfähig ist. Die Beiladung ist jedoch nicht notwendig durchzuführen, da der Nachbar N keine Anhaltspunkte dafür gibt, selbst gegen die Baugenehmi-gung vorgehen zu wollen und die Baugenehmigung nicht unter Verkürzung der nachbarlichen Rechte ergeht (beispielsweise Dispens von den Abstandsflächen). Begründetheit der Klage
Die Klage des A ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet, die Versagung der Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist und A durch die Ablehnung in einem subjektiven Recht verletzt ist, §§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 5 VwGO. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn A einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hat.
5 Vgl. ÖR II/ 2 - Fall 1.
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Passivlegitimation
Vorliegend ist die Klage gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen die kreisfreie Stadt S als Rechtsträ-ger der zuständigen Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 BayBO, Art. 9 Abs. 1 GO) zu richten.
Anmerkung: Bei der Verpflichtungsklage darf gerade nicht darauf abgestellt werden, wer den Verwaltungsakt
versagt hat, d.h. gehandelt hat. Auf die handelnde Behörde kommt es nur bei der Anfechtungsklage an. Vielmehr
ist die Verpflichtungsklage gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der für den Erlass des VA zu-
ständigen Behörde zu richten.
In Bayern ist die Klage niemals gegen die Behörde selbst zu richten! Der bayerische Gesetzgeber hat von der in
§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumten Befugnis keinen Gebrauch gemacht.

Anspruch des A auf Erlass der Baugenehmigung
Anspruch aus bauordnungsrechtlichen Vorschriften, Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO (aus-
führliche Prüfung entbehrlich)

A könnte einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung aus bauordnungsrechtlichen Vor-schriften haben. Danach besteht ein Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung aber nur dann, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauauf-sichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Diese ergeben sich aus Art. 59 bzw. Art. 60 BayBO. Nach Art. 59 S. 1 Nr. 1 bzw. Art. 60 S. 1 Nr. 1 BayBO sind insbesondere auch die Vor-schriften der §§ 29 ff. BauGB zu prüfen. Da laut Sachverhalt die Voraussetzungen des § 35 BauGB nicht erfüllt sind, kommt bereits aus diesem Grunde ein Anspruch auf eine Baugenehmi-gungserteilung aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO nicht in Betracht. Anspruch aus öffentlich-rechtlichem Vertrag
Der Anspruch des A könnte sich aber aus öffentlich-rechtlichem Vertrag ergeben. In Betracht kommt auch ein Anspruch aus einem einseitigen Hoheitsakt (Zusicherung der Erteilung einer Bau-genehmigung als VA mit einer Auflage unter Zustimmung des künftigen Erlaubnisnehmers, Art. 38 BayVwVfG, Art. 68 I 1 BayBO, Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG). Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem öffentlich-rechtlichen Vertrag und einem VA mit Nebenbestimmung ist primär der erklärte Wille der Beteiligten. Diese haben hier explizit von einem „außergerichtlichen Vergleich“ gesprochen, der zudem laut Sachverhalt „ausgehandelt“ wurde. Deshalb ist von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag auszugehen. Die Stadt hat sich in dieser Vereinbarung zum Erlass der Ge-nehmigung verpflichtet. Der Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag besteht allerdings nur dann, wenn dieser Vertrag überhaupt wirksam ist. Dies ist dann der Fall, wenn er formgerecht zu-stande gekommen ist und nicht wegen inhaltlicher Fehler nichtig ist. Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags Der vorliegende Vertrag zwischen der Stadt S und A ist durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen nach Art. 62 S. 2 BayVwVfG i.V.m. § 145 BGB und § 147 BGB zustande gekommen. Von einer ordnungsgemäßen Vertretung der Stadt S ist auszugehen, Art. 62 S. 2 BayVwVfG i.V.m. § 164 BGB i.V.m. Art. 38 I, 34 I GO. Es handelt sich auch um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, da dieser nach der Gegenstandsthe-orie auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts abgeschlossen wurde (s.o.). Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags Der öffentlich-rechtliche Vertrag müsste ferner auch wirksam sein. Dies ist der Fall, wenn (aa) kein Vertragsformverbot besteht, (bb) die eventuell erforderliche Zustimmung i.S.d. Art. 58 BayVwVfG vorliegt, sowie (cc) keine speziellen und (dd) keine allgemeinen Nichtigkeitsgründe nach Art. 59 BayVwVfG einschlägig sind.
6 Vgl. ÖR II/ 2 - Fall 1.
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aa) Zulässigkeit der Vertragsform Die Handlungsform des Verwaltungsvertrags ist grundsätzlich zulässig, sofern kein Vertragsform-verbot eingreift (vgl. Art. 54 S. 1 BayVwVfG). Es bedarf damit mit anderen Worten keiner speziel-len Rechtsgrundlage für den Abschluss eines Verwaltungsvertrags. Ein gesetzliches Verbot der Handlungsform „Vertrag“ ist hier zudem nicht ersichtlich. bb) Zustimmung nach Art. 58 BayVwVfG Ein Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG kommt aufgrund eines Eingriffs in Rechte des N grds. in Betracht (Verletzung nachbarschützender Rechte durch Baugenehmigung). Seinerseits liegt aber laut Sachverhalt die schriftliche Zustimmung des N vor. Anmerkung: Die Prüfung der Verletzung der Schriftform nach Art. 57 BayVwVfG als eigenen Prüfungspunkt der
Rechtswirksamkeit ist zwar über die Rechtsfolgenanordnung des Art. 62 S. 2 BayVwVfG, § 125 S. 1 BGB eben-
falls denkbar, widerspricht aber der Regel vom Vorrang des besonderen Gesetzes vor dem allgemeinen (lex spe-
cialis derogat legi generali). Demnach werden Verletzungen der Schriftform nicht über die allgemeine Verweisung
des Art. 62 S. 2 BayVwVfG, sondern über die besondere Verweisung des Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG – an freilich
anderer Stelle weiter unten – geprüft.
cc) Spezielle Nichtigkeitsgründe, Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG (1) Anwendbarkeit des Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG Die Nichtigkeitsgründe des Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG kommen nur in Betracht, falls es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. Art. 54 S. 2 BayVwVfG handelt. Es ist mithin zu prüfen, ob ein koordinationsrechtlicher oder ein subordinationsrechtlicher Vertrag vorliegt. Subordinations-rechtliche Verträge (i.S.d. Art. 54 S. 2 BayVwVfG) unterscheiden sich von den koordinationsrecht-lichen Verträgen (i.S.d. Art. 54 S. 1 BayVwVfG) im Verhältnis der vertragsschließenden Parteien zueinander. Koordinationsrechtlich sind diejenigen Verträge, die zwischen grundsätzlich gleichgeordneten
Vertragspartnern abgeschlossen werden. Sie betreffen Rechtsbeziehungen, die nicht durch Ver-
waltungsakt geregelt werden können.
Subordinationsrechtliche Verträge ersetzen zunächst einen Verwaltungsakt oder enthalten eine
Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts. Sie werden also zwischen Parteien geschlossen,
die sonst im Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen (weite Auslegung des Art. 54 S. 2
BayVwVfG).
Vorliegend ersetzt der Vertrag nicht den unter den Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 S.1 Bay-
BO in der Form einer Baugenehmigung ergehenden Verwaltungsakt, da der Vertrag nicht selbst
die Gewährung einer Baugenehmigung beinhaltet, sondern nur einen Anspruch auf Erteilung einer
solchen begründet. Da jedoch durch den Erlass dieses VA die vertragliche Verpflichtung erfüllt
wird, liegt ein subordinationsrechtlicher Vertrag vor. Damit ist auch Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG an-
wendbar.
(2) Art. 59 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG nichtig, wenn ein VA mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre (VA der Zusicherung einer „Baugenehmigung mit der Auflage einer Klagerücknahme“). Dies bemisst sich nach Art. 44 BayVwVfG. (a) Absolute Nichtigkeitsgründe, Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG Ein absoluter Nichtigkeitsgrund i.S.d. Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG ist nicht ersichtlich. Kategorischer Ausschluss der Nichtigkeitsfolge, Art. 44 Abs. 3 BayVwVfG Auch Art. 44 Abs. 3 BayVwVfG greift vorliegend nicht ein. In Betracht käme lediglich Art. 44 Abs. 3 Nr. 4 BayVwVfG. Nach § 36 Abs. 1 S.1 BauGB wäre grds. das Einvernehmen mit der Gemeinde erforderlich. Im vorliegenden Fall ist aber die Gemeinde gleichzeitig auch die Baugenehmigungs-behörde. Nach h.M. ist in einem solchen Fall dann keine gesonderte Mitwirkung erforderlich. (s.o.) ÖR II/2 – Fall 5 – Lösung – WS 2013/2014
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Allgemeiner Nichtigkeitsgrund, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG wäre der in Erfüllung des Vertrags zu erlassende VA mit entspre-chendem Inhalt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein besonders schwerwiegender Fehler i.S.d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG liegt vor, wenn die beab-sichtigten Rechtswirkungen des hypothetischen VA unter keinen Umständen mit der geltenden Rechtsordnung vereinbar sein können, weil die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellen-den Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt wurden, dass von niemandem erwartet wer-den kann, den VA als verbindlich anzuerkennen. Vorliegend richten sich die Rechtswirkungen des VA auf die Erteilung einer Baugenehmigung im
Außengebiet. Der Erlass eines solchen VA verstößt nicht gegen Denkgesetze und ist für die
Rechtsordnung damit nicht schlechthin unerträglich. Ein besonders schwerwiegender Fehler im
obigen Sinne liegt somit nicht vor. Eine Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG scheidet daher
aus.
Auch aus der Verpflichtung zur Klagerücknahme folgt keine Nichtigkeit aus Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG. Für den vorliegenden subordinationsrechtlichen Vertrag scheidet deshalb die Nichtigkeitsfolge des Art. 59 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG aus. (3) Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nichtig, wenn (a) der in Erfüllung des Vertrags zu erlassende Verwaltungsakt „Baugenehmigung mit der Auflage einer Kla-gerücknahme“ mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des Art. 46 BayVwVfG rechtswidrig wäre und (b) dies den Vertragschließenden bekannt war. Rechtswidrigkeit des im Vertrag bezeichneten VA Erste Tatbestandsvoraussetzung des Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass der VA nicht nur wegen der Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form und die örtliche Zuständig-keit (Art. 46 BayVwVfG) rechtswidrig sein darf. (α) Rechtsgrundlage (aufgrund Angabe im SV zur RW entbehrlich) Als Rechtsgrundlage für die Zusicherung zum Erlass einer Baugenehmigung mit der Auflage einer Klagerücknahme kommt hier Art. 38 BayVwVfG i.V.m. Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO i.V.m. Art. 36 BayVwVfG in Betracht; vgl. Art. 68 Abs. 3 BayBO. (β) Sachliche Zuständigkeit (aufgrund Angabe im SV zur RW entbehrlich) Die Stadt S ist hier als kreisfreie Stadt untere Bauaufsichtsbehörde und damit für den Erlass von Baugenehmigungen zuständig, Art. 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 BayBO, Art. 9 Abs. 1 S. 1 Bay-GO. Fraglich ist, ob ein entsprechender VA materiell rechtswidrig wäre. Dies wäre dann der Fall, wenn keine Übereinstimmung mit der Rechtsgrundlage gegeben wäre. Schon die Verpflich-tung zum Erlass der Baugenehmigung verstößt hier gegen bauplanungsrechtliche Vorschrif-ten, Art. 60 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 59 S. 1 Nr. 1 BayBO, § 35 BauGB (Sachverhalt). Damit wäre ein entsprechender VA rechtswidrig. Eine weitere Prüfung kann an dieser Stelle entfallen. Da aber weder die Stadt S noch A bei Vertragsschluss wussten, dass die versprochene Bauge-nehmigung gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften verstößt, war den Vertragsparteien die Rechtswidrigkeit eines VA mit entsprechendem Inhalt nicht bekannt. Damit ist der Vertrag trotz ÖR II/2 – Fall 5 – Lösung – WS 2013/2014
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Rechtswidrigkeit eines VA mit entsprechendem Inhalt nicht nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nichtig. (4) Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG Des Weiteren wäre der öffentlich-rechtliche Vertrag gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG nichtig, wenn (a) die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags nicht vorlagen, und (b) ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des Art. 46 BayVwVfG rechtswidrig wäre. Im vorliegenden Fall wurde bereits oben festgestellt, dass der zwischen der Stadt S und A ge-schlossene öffentlich-rechtliche Vertrag subordinationsrechtlicher Natur i.S.d. Art. 54 S. 2 BayVwVfG ist. Nunmehr ist zu prüfen, ob dieser subordinationsrechtliche Vertrag ein Vergleichs-vertrag oder ein Austauschvertrag ist. Vergleichsvertrag, Art. 55 BayVwVfG Ein Vergleichsvertrag nach Art. 55 BayVwVfG zielt auf die Beseitigung einer bei verständiger Wür-digung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehenden Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben. Dabei muss das Nachgeben auf die ungewisse Sach- oder Rechtslage bezogen sein. Ungewissheit und Nachgeben müssen sich freilich auf ein und denselben Punkt beziehen; denn der Vergleichsvertrag soll es ermöglichen, die bestehende Ungewissheit durch ein gegenseitiges Nachgeben gleichsam zu überbrücken. Hier wird zwar durch die Vereinbarung das Klageverfahren durch gegenseitiges Nachgeben beendet. Vorliegend bezieht sich die Ungewissheit aber auf die Klage des A gegen die Baugenehmigung für N. Die Baugenehmigung für A ist nicht Gegenstand der Klage und damit auch nicht auf die Ungewissheit bezogen. Das Versprechen einer Bauge-nehmigung für A ist also kein Nachgeben im Bezug auf die Ungewissheit sondern eine außerhalb dieser Ungewissheit stehende Leistung der Stadt S. (Man könnte auch sagen, dass aufgrund des In-Aussicht-Stellens der Baugenehmigung für A dieser einseitig im Prozess nachgibt, was einen Vergleich ausschließt).Ein Vergleichsvertrag scheidet vorliegend aus. Anmerkung: Eine andere Ansicht ist bei entsprechender Argumentation vertretbar. Dann muss jedoch das be-
hördliche Ermessen in Bezug auf den Vergleichsvertragsabschluss (Art. 55 BayVwVfG) auf Ermessenfehler über-
prüft werden. Zudem muss die Frage geklärt werden, ob die Art. 55 und 56 BayVwVfG in einem Ausschließlich-
keitsverhältnis stehen oder ob ein Vergleichsvertrag zugleich auch Austauschvertrag sein kann; letzteres wohl
h.M.

Da kein Vergleichsvertrag geschlossen wurde, kommt für den vorliegenden öffentlich-rechtlichen Vertrag auch nicht die Nichtigkeitsfolge des Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG in Betracht. (5) Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG Ferner könnte der zwischen der Stadt S und A geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig sein, wenn sich die Behörde eine nach Art. 56 BayVwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen ließ. Dazu müsste es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Austauschvertrag i.S.d. Art. 56 BayVwVfG handeln. (a) Austauschvertrag, Art. 56 BayVwVfG Bei der Klagerücknahme handelt es sich um eine Gegenleistung für die versprochene Baugeneh-migung. Die vertraglichen Leistungen stehen hier also in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, ein Austauschvertrag liegt vor.
7 Vgl. BVerwGE 98, 58 (63).
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Die Zulässigkeit der in einem Austauschvertrag nach Art. 56 BayVwVfG vereinbarten Gegenleis-
tung richtet sich danach, ob auf die Leistung der Behörde auch sonst, d.h. ohne den Abschluss
eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, ein Anspruch besteht. Trifft die Verwaltung dabei eine gebun-
dene Entscheidung, kann nach Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG nur eine solche Gegenleistung vereinbart
werden, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach Art. 36
BayVwVfG sein könnte. Trifft die Behörde dagegen eine Ermessensentscheidung, bei welcher der
Vertragspartner keinen Anspruch auf die begehrte Leistung, sondern allenfalls einen Anspruch auf
pflichtgemäße Ermessensausübung geltend machen kann, bestimmt sich die Zulässigkeit der Ge-
genleistung nach Art. 56 Abs. 1 BayVwVfG.
Vorliegend stünde die Erteilung einer Baugenehmigung nicht im Ermessen der Behörde, vgl.
Art. 68 Abs. 1 S.1 BayBO.
Daher ist hier Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Zu prüfen ist daher,
ob eine Klagerücknahme als Inhalt einer Nebenbestimmung gem. Art. 36 BayVwVfG hätte verein-
bart werden können. Die rechtliche Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zu Baugenehmigungen
richtet sich dabei – abgesehen von der Sicherheitsleistung des Art. 68 Abs. 3 BayGO – aus-
schließlich nach Art. 36 BayVwVfG.
Nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht (s.o.), mit
einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist
oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts er-
füllt werden.
Es müsste also eine Rechtsvorschrift geben, die eine Klagerücknahme beim Erlass von Bauge-
nehmigungen vorsieht. Eine solche findet sich jedoch nicht bei Art. 68 Abs. 1 BayBO. Daneben
müsste die Klagerücknahme eine Bedingung für die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung sein.
Auch dies ist evident nicht der Fall, der Erlass von Baugenehmigungen und Klagerücknahmen
haben offensichtlich keinen gemeinsamen Anknüpfungspunkt oder stehen gar in einem Bedin-
gungsverhältnis zueinander.
Beides trifft für die Klagerücknahme eindeutig nicht zu – es handelt sich daher um eine unzulässi-
ge Gegenleistung.
Da es sich vorliegend um eine unzulässige Gegenleistung handelt, ist der Vertrag gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig. dd) Allgemeine Nichtigkeitsgründe, Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG (Prüfung hier weitgehend entbehr- Nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtig-keit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Fraglich ist hier, ob der Vertrag formgerecht zustande gekommen ist. Nach Art. 57 BayVwVfG ist die Einhaltung der Schriftform Voraussetzung eines Verwaltungsvertrages. Dabei gelten gemäß Art. 62 S. 2 BayVwVfG die Vorschriften des BGB entsprechend. Hier wurden die Formerfordernis-se des § 126 BGB (Unterschriften auf einer Urkunde) beachtet. Somit liegt kein allgemeiner Nich-tigkeitsgrund gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 125 S. 1 BGB vor. Zwischenergebnis:
Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig. A hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Die Klage ist daher unbegründet. E. Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

8 Vgl. Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 108. Ergänzungslieferung, Stand 2012, Art. 68 BayBO, Rn. 279 ff.
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Source: http://www.jura.uni-augsburg.de/lehrende/professoren/rossi/lehre_studium/ws_2013-2014/2vorl-mitarb/ag-verwr-pfahl/Materialien/05b-loe.pdf

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Web address: http://www.sciencedaily.com/releases/2008/09/ 080922095431.htm Acupuncture Reduces Side Effects Of Breast Cancer Treatment As Much As Conventional Drug Therapy, Study Suggests ScienceDaily (Sep. 23, 2008) — Acupuncture is as effective and longer-lasting in managing the common debilitating side effects of hot flashes, night sweats, and excessive sweating (vas

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